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Christian Morgenstern: Galgenlieder

Moderne

Laß die Moleküle rasen,
was sie auch zusammenknobeln!
Laß das Tüfteln, laß das Hobeln,
heilig halte die Ekstasen!

(Vorwort Morgenstern)



Morgenstern, mein Mehrchen

Als ich am 31. März 2014, dem einhundertsten Todestag Christian Morgensterns, ein klammes Feature im bundesdeutschen Radio und einen feuilletonüblichen Memoriaartikel in einer überregionalen Zeitung las, war ich unzufrieden. Diese Unzufriedenheit nahm mehr und mehr die Form des Missbehagens an. Es gibt allein in Berlin, ein gutes Dutzend Schreibende, die Christian Morgenstern nicht eben wenig zu verdanken haben. Daniela Strigl und Jochen Schimmang haben das in ihren einschlägigen Publikationen (Biografie bzw. Radiofeature im ORF) skizziert. Statt dem Geniekult zu frönen, wie seine gründerzeitlichen Zeitgenossen, und diesen neoromantisch fit zu spritzen, gab Christian Morgenstern seiner Galgenlieder-sammlung ein Motto Friedrich Nietzsches: „In jedem ächten Manne ist ein Kind versteckt: das will spielen.“ Effektvoller könnte man dem Literaturbetrieb auch heute nicht die Kehrseite zeigen; nur wenige haben dazu den Mumm.

Wenn das Wort anarchisch im Zusammenhang mit Dichtung fällt, was keine Seltenheit ist, sondern eher Usus, denke ich zuerst an Morgensterns Galgenlieder, das Ultraschräge, das völlig Ungebändigte, das alles gnadenlos ins Spiel bringt. Alle damit verbundene Intensität und Steigerung konnte ich irgendwann nicht mehr ertragen, ich habe meine Taschenbuchausgabe damals, glaube ich, verschenkt. Ich sollte an dieser Stelle vielleicht erwähnen, dass ich nicht unbefangen bin, und Christian Morgensterns Galgenpoesie auf meine Art verehre, so etwa seit ich fünfzehn Jahre alt war, das ist mehr als zwanzig Jahre her.

Und bekenne ohne Zerknirschung, dass die Galgenlieder mir irgendwann zu zappelig waren; mit 21 Jahren (oder so) wollte ich ernst sein, las allerlei Mist und fabrizierte noch größeren Mist. Irgendwann war klar, dass es das alles nicht ist und bringt. Intuition? Wer weiß. Von irgendwoher war noch ein froh-schriller Ton (oder sowas) zu hören; deine Meinung wird dezidierter, dir wird klarer, was du tust, darum bemerkst du auch das Stück Unverfügbarkeit, das dir noch geblieben ist, umso deutlicher, in der Art wie aufkommendes Halsweh. Dieses Stück Unverfügbarkeit rührt, vermute ich, noch aus Zeiten, als ich die Poesie Morgensterns erstmals las. Es sprang mich etwas an, es war aber kein Raubtier; eher etwas wie Neid. Es war aber kein Neid, es sperrte mir ja den Mund auf, es nervte wie ein Frosch im Hals. Jeder Mensch, der Morgensterns Poesie liest und selbst zur schreibenden Zunft gehört, weiß, dass ohne Spott und Adversität es dem Leben an Würze mangelt. Deswegen spricht man in diesem Fall auch nicht vom Haustier, sondern vom Hausgott. Morgenstern nervt (mich), Hausgott Morgenstern ist nicht über jeden Zweifel erhaben. Es muss als erstes Klischee dasjenige vom kalauer- und pointenseligen Heiterkeitsapostel über Bord gehen, mit dem Morgenstern beinahe reflexartig in Verbindung gebracht wird. Freilich ist es hübsch, wenn ein deutscher Dichter nach Heine als „vermittelbar“ (dem Publikum nämlich), sogar als Publikumsliebling gelten darf (durfte). Aber diese Vermittelbarkeit ist eben nicht alles, allzu leicht lässt sich das von seichter Koketterie nicht unterscheiden und man lacht unter Niveau über Triebabfuhr und Ressentiment-Pflege und versgeschmückte Allgemeinplätze in der geistigen Nachfolge von Wilhelm Busch. Vor einer Weile wurde mein Mail-Du von einer Kultureventmanagerin gefragt, was das „Jandlste Gedicht bei [mir]“ sei. Das Hubernde hat Erfolg (das Feuilleton schüttet die Quellen zu), seine Slogans sind lasch und zeigen nur, dass es den Marktschreiern nicht an Megalothymia mangelt/e.

Das maue Echo anlässlich des einhundertsten Todestages von Christian Morgenstern ist eigentlich nur damit zu entschuldigen, dass der Tod kein so freudiger Anlass ist, an jemanden zu erinnern. 2021 feiern wir Morgensterns 150. Geburtstag. Möge bitte spätestens bis dahin eine Auszeichnung inauguriert sein, die auf die Bedeutung dieses nervigen Dichters hinweist, indem sie zeitgenössisches poetisches Schreiben in Christian Morgensterns Nachfolge ehrt. Welche Richtung das nehmen kann, ist hier: http://karawa.net/ausgaben/007-captain-morgenstern zu bestaunen. Wer Nietzsche als Dichter würdigt (wie es die Fachwelt kürzlich tat), sollte seinem Meisterschüler Morgenstern nicht die gebührende Achtung versagen. Ohne Morgenstern kein Mon, kein Pastior, kein Stolterfoht. Das steht auf der Rückseite der „Proto-Loriot“-Medaille; das macht sie möglicherweise überhaupt erst wertig.

Ich freue mich sehr darüber (und bedanke mich entsprechend herzlich), dass die Signaturen u.a. dem Kollegen Tobias Roth, er selbst ist wie Morgenstern gebürtiger Münchner und Wahlberliner, der Kluges über Morgenstern schreibt, und mir die Gelegenheit geben, Morgensterns Galgenlieder im Dichtervortrag dieser Tage darzubieten. Textgrundlage ist das bei Bruno Cassirer im Jahr 1932 erschienene erste bis zwanzigste Tausend der Galgenlieder, die sogenannte „Volksausgabe“ – wie verseucht das Wort in unseren rechtsalternativen Zeiten auch klingen mag. „Blödem Volke unverständlich/ treiben wir des Lebens Spiel.“

Kreuzberg, im Juni 2016

Konstantin Ames



Liste der Galgenlieder (nach Cassirer 1932)


Dem Kinde im Manne

Versuch einer Einleitung
(Enkomion v. Jeremias Müller, Lic. Dr.)

Wie die Galgenlieder entstanden


Bundeslied der Galgenbrüder

Bundeslied der Galgenbrüder



Galgenbruders Lied an Sophie, die Henkersmaid

Nein!

Das Gebet

Das große Lalula

Das große Lalula (2)

Das große Lalula
(3)

Das große Lalula (4)

Der Zwölf-Elf

Das Mondschaf  

Lunovis      

Der Rabe Ralf

Fisches Nachtgesang

Galgenbruders Frühlingslied   

Das Hemmed

Das Problem  

Neue Bildungen, der Natur vorgeschlagen

Die Trichter     

Der Tanz

Das Knie

Der Seufzer

Bim, Bam, Bum

Das aesthetische Wiesel


Der Schaukelstuhl auf der verlassenen Terrasse

Die Beichte des Wurms

Das Weiblein mit der Kunkel

Die Mitternachtsmaus

Himmel und Erde

Der Walfafisch oder das Überwasser

Mondendinge

Die Schildkrökröte

Der Hecht    

Der Nachtschelm und das Siebenschwein oder eine glückliche Ehe


Die beiden Esel

Der Steinochs

Tapetenblume

Das Wasser

Die Luft

Wer denn?

Der Lattenzaun

Die beiden Flaschen

Das Lied vom blonden Korken


Der Würfel

Kronprätendenten

Die Weste   

Philanthropisch

Der Mond

Die Westküsten

Unter Zeiten

Unter Schwarzkünstlern

Der Traum der Magd

Zäzilie  I & II


Das Nasobēm

Anto-Logie

Die Hystrix

Die Probe

Im Jahre 19 000

Der Gaul

Der heroische Pudel

Das Huhn

Möwenlied

Igel und Agel

Der Werwolf

Die Fingur

Das Fest des Wüstlings

Km 21

Geiss und Schleiche

Die zwei Wurzeln

Das Geburtslied oder: Die Zeichen oder: Sophie und kein Ende

Galgenkinds Wiegenlied

Wie sich das Galgenkind die Monatsnamen merkt

Galgenberg



In anderen Ausgaben:

Aufnahme




Armin Steigenberger

Christian Filips

Konstantin Ames

Luise Boege (Alt),  Mara Genschel (Sopran), Mathias Monrad Møller (Tenor), Martin Schüttler (Bass)      

Christel Steigenberger

Tobias Roth

Tobias Roth

Hilda Ebert, Walter Fabian Schmid

Norbert Lange

Armin Steigenberger

Armin und Christel Steigenberger

Christel Steigenberger

Àxel Sanjosé

Àxel Sanjosé

Christel und Armin Steigenberger

Armin Steigenberger

Konstantin Ames

Walter Fabian Schmid

Konstantin Ames

Christian Filips, Walter Fabian Schmid

Konstantin Ames

Konstantin Ames

Konstantin Ames

Christel Steigenberger

Armin Steigenberger

Armin Steigenberger

Tobias Roth


Armin Steigenberger

Armin Steigenberger

Armin Steigenberger

Konstantin Ames

Christian Filips

Markus Hallinger

Mara Genschel

Tobias Roth

Markus Hallinger

Konstantin Ames

Konstantin Ames

Konstantin Ames

Konstantin Ames


Konstantin Ames

Konstantin Ames

Konstantin Ames

Konstantin Ames

Konstantin Ames

Konstantin Ames

Konstantin Ames

Tobias Roth

Hilda Ebert

Armin Steigenberger

Armin Steigenberger

Tobias Roth

Armin Steigenberger

Hilda Ebert

Christel Steigenberger
(I),
Markus Hallinger
(II)

Christel Steigenberger

Konstantin Ames

Armin Steigenberger

Armin Steigenberger

Hilda Ebert

Armin Steigenberger

Mara Genschel

Tobias Roth

Christel Steigenberger

Konstantin Ames

Christian Filips, Christel Steigenberger

Konstantin Ames

Hilda Ebert

Christian Filips

Christian Filips

Hilda Ebert

Christian Filips

Christian Filips, Tobias Roth

Mara Genschel, Christel Steigenberger

Hilda Ebert

Datum


07. 06. 2016

07. 06./12. 06. 2016

07. 06./28. 07. 2016

07. 06. 2016

26. 08. 2016



30. 07. 2016

10. 06. 2016

19. 06. 2016

06. 08. 2016

07. 08. 2016

24. 08. 2016

24. 08. 2016

16. 07. 2016

25. 07. 2016

27. 07. 2016

24. 07. 2016

31. 07. 2016

02. 07. 2016

14. 08. 2016

15. 07. 2016

18. 06. 2016

06. 07. 2016

25. 08. 2016

11. 06. 2016

04. 07. 2016

01. 07. 2016

18. 08. 2016

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Hilda Ebert

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20. 07. 2016

21. 07. 2016

17. 08. 2016

20. 08. 2016

23. 08. 2016



Sonstiges:

Über die Galgenlieder (an einen Redakteur)

Hans Leybold: Auch ein Nekrolog für Christian Morgenstern

Paul G. Ehrhardt: Das Aerophil.

Markus Hallinger

Gerd Schäfer

Klaus Behringer

22. 08. 2016

01. 08. 2016

15. 08. 2016

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