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William Shakespeare: A Lover's Complaint, Teil 1

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William Shakespeare

A Lover's Complaint

übersetzt von Günter Plessow


A Louers Complaint



FRom off a hill whose concaue womb reworded,
A plaintfull story from a sistring vale
My spirrits t’attend this doble voyce accorded,
And downe I laid to list the sad tun’d tale,
Ere long espied a fickle maid full pale                                      5
Tearing of papers breaking rings a twaine,
Storming her world with sorrowes, wind and raine.

Vpon her head a plattid hiue of straw,
Which fortified her visage from the Sunne,
Whereon the thought might thinke sometime it saw              10
The carkas of a beauty spent and donne,
Time had not sithed all that youth begun,
Nor youth all quit, but spight of heauens fell rage,
Some beauty peept, through lettice of sear’d age.

Oft did she heaue her Napkin to her eyne,                              15
Which on it had conceited charecters:
Laundring the silken figures in the brine
That seasoned woe had pelleted in teares,
And often reading what contents it beares:
As often shriking vndistinguisht wo,                                      20
In clamours of all size both high and low.

Einer Liebenden Klage



VON einem Hügel aus, des hohler Schoß
Worte zurückwarf, doppelt jedesmal,
vernahm ich laute Klagen, brauchte bloß
zu liegen und zu lauschen, wie im Tal
ein Mädchen stand, ganz aufgelöst und fahl,
Papier zerriß, Ringe zerbrach im Gram,
der ihre Welt wie Sturmwind überkam.

Auf ihrem Kopf ein hoher Hut aus Stroh,
die Sonne abzuwehren; ihr Gesicht
wie tot; verlebte Schönheit irgendwo.
Nicht alles, was die Jugendzeit verspricht,
war weggesichelt; aller Schmelz war nicht
dahin in diesem wütenden Gewitter;
ein Fünkchen Schönheit blitzte durch das Gitter.

Oft hebt ein Tuch mit eingestickten Zeichen
ans Auge sie, die Seide in dem Salz
des Tränenstroms zu waschen und zu bleichen;
oft sieht sie’s an, wie um sich des Gehalts
neu zu versichern; und noch öfter schallts
von Schreien wider hemmungslosen Leides
in höchsten Tönen und in dumpfen, beides.


Some–times her leueld eyes their carriage ride,
As they did battry to the spheres intend:
Sometime diuerted their poore balls are tide
To th’orbed earth; sometimes they do extend                        25
Their view right on, anon their gases lend,
To euery place at once and no where fixt,
The mind and sight distractedly commxit.

Her haire nor loose nor ti’d in formall plat,
Proclaimd in her a carelesse hand of pride;                            30
For some vntuck’d descended her sheu’d hat,
Hanging her pale and pined cheeke beside,
Some in her threeden fillet still did bide,
And trew to bondage would not break from thence,
Though slackly braided in loose negligence.                         35

A thousand fauours from a maund she drew,
Of amber cristall and of bedded Iet,
Which one by one she in a riuer threw,
Vpon whose weeping margent she was set,
Like vsery applying wet to wet,                                             40
Or Monarches hands that lets not bounty fall
Where want cries some; but where excesse begs all.

Of folded schedulls had she many a one,
Which she perusd, sighd, tore and gaue the flud,
Crackt many a ring of Posied gold and bone,                        45
Bidding them find their Sepulchers in mud,
Found yet mo letters sadly pend in blood,
With sleided silke, feate and affectedly
Enswath’d and seald to curious secrecy.


Die Augen rollen, starren bald empor,
als stritten sie am liebsten mit den Sphären,
bald wenden sie sich ab und geben vor,
daß sie dem Erdenkreis verbunden wären;
sehn vor sich hin; um dann im Ungefähren
das Überall und Nirgends zu fixieren
und mit dem Blick die Einsicht zu verlieren.

Ihr Haar verriet –– nicht offen, nicht geknüpft ––
Achtlosigkeit, der Stolz war ihr vergangen:
teils war es aus der Haube ihr geschlüpft,
in Strähnen hing es vor den bleichen Wangen;
teils war es von den Bändern noch umfangen
und wollte dem Gebinde nicht entfliehn,
so nachlässig es auch geflochten schien.

An tausend Angebinde zog sie, ach,
aus einem Körbchen, Ambra, Gagat, Glas,
und warf sie eins ums andre in den Bach,
an dessen Weidensaum sie weinend saß;
wie um zu wuchern gab sie Naß zu Naß,
so wie ein König dem nur Perlen streut,
der alle will, nicht dem, der ‘eine’ schreit.

Sie hatte Zettel, Verse mochtens sein,
sie las sie, seufzte, warf sie in die Flut;
und was da stand auf Gold und Elfenbein,
zerbrach –– manch Ring, der im Moraste ruht.
Epistel fand sie, feierlich mit Blut
geschrieben und mit Seidenband umschnürt,
geheimzuhalten, was sie aufgerührt.


These often bath’d she in her fluxiue eies,                            50
And often kist, and often gaue to teare,
Cried O false blood thou register of lies,
What vnapproued witnes doost thou beare!
Inke would haue seem’d more blacke and damned heare.
This said in top of rage the lines she rents,                           55
Big discontent, so breaking their contents.

A reuerend man that graz’d his cattell ny,
Sometime a blusterer that the ruffle knew
Of Court of Cittie, and had let go by
The swiftest houres obserued as they flew,                          60
Towards this afflicted fancy fastly drew:
And priuiledg’d by age desires to know
In breefe the grounds and motiues of her wo.

So slides he downe vppon his greyned bat;
And comely distant sits he by her side,                                65
When hee againe desires her, being satte,
Her grieuance with his hearing to diuide.
If that from him there may be ought applied
Which may her suffering exstasie asswage
Tis promist in the charitie of age.                                        70

Father she saies, though in mee you behold
The iniury of many a blasting houre;
Let it not tell your Iudgement I am old,
Not age, but sorrow, ouer me hath power;
I might as yet haue bene a spreading flower                       75
Fresh to my selfe, if I had selfe applyed
Loue to my selfe, and to no Loue beside.


Sie netzte sie in Tränen immer wieder
und küßte und zerriß sie nahezu,
rief ‘Falsches Blut, du legtest Lügen nieder!
O welch perfides Zeugnis, welch Getu!
Wär Tintenschwarz nicht passender als du?’
Gesagt –– und schon zerfetzt sie die Gedichte,
macht fassungslos gefaßte Form zunichte.

Ein greiser Hirt ist da gleich nebenan
bei seiner Herde, der in seinen Tagen
in Stadt und Hof sich hektisch umgetan,
doch, als die Stunden flohen, sozusagen
geruhsam zugesehn, –– er hört sie klagen
und wünscht zu wissen, ob ein alter Mann
die Gründe ihres Grams erfahren kann.

Steigt umständlich, auf seinen Stock gestützt,
hinab zu ihr und setzt sich, nicht zu weit,
und dringt nun in sie, als er endlich sitzt:
es sei geteiltes Leid doch halbes Leid,
das Alter mache milde und bereit
zu hören, er verspräch es feierlich,
sie sei in ihrem Leid ja außer sich!

‘ACH VATER’, sagt sie, ‘denk nicht, die Gewalt
der Stunden, sie verzehre mich, o nein,
das sieht so aus, jedoch ich bin nicht alt:
nicht Alter –– Gram bricht über mich herein.
Ich könnt bis heute eine Blüte sein,
mir selber blühend, hätt ich mein Gefühl
mir zugewandt und nicht dem Liebesspiel.


But wo is mee, too early I atttended
A youthfull suit it was to gaine my grace;
O one by natures outwards so commended,                        80
That maidens eyes stucke ouer all his face,
Loue lackt a dwelling and made him her place.
And when in his faire parts shee didde abide,
Shee was new lodg’d and newly Deified.

His browny locks did hang in crooked curles,                    85
And euery light occasion of the wind
Vpon his lippes their silken parcels hurles,
Whats sweet to do, to do wil aptly find,
Each eye that saw him did inchannt the minde:
For on his visage was in little drawne                                90
What largenesse thinkes in paradise was sawne.

Smal shew of man was yet vpon his chinne,
His phenix downe began but to appeare
Like vnshorne veluet, on that termlesse skin
Whose bare out–brag’d the web it seem’d to were,           95
Yet shewed his visage by that cost more deare,
And nice affections wauering stood in doubt
If best were as it was, or best without.

His qualities were beautious as his forme,
For maiden tongu’d he was, and thereof free;                 100
Yet if men mou’d him, was he such a storme
As oft ’twixt May and Aprill is to see,
When windes breath sweet, vnruly though they bee.
His rudenesse so with his authoriz’d youth
Did liuery falsenesse in a pride of truth.                         105


‘Weh mir, ich ging zu früh auf etwas ein!
Ein junger Mann umwarb mich –– o, und wie
einnehmend schien er äußerlich zu sein!
Die Mädchenaugen –– an ihm klebten sie.
Die Liebe selbst ersah ihn als Logis;
sie ging in seiner Schönheit ein und aus
und war in ihrer Gottheit neu zuhaus.

‘Der Wind, er drückte seine braunen Locken
–– und regte sich ein leichtes Lüftchen nur ––
an seine Lippen; seidenweiche Flocken.
Was süß zu tun ist, tun wir (von Natur):
Wer je ihn ansah, dieses Glück erfuhr,
der sah in seinem Antlitz das im kleinen,
was wir im Paradies zu sehen meinen.

‘Am Kinn war noch nicht viel vom Mann zu sehn;
es zeigte sich ein feiner Flaum, nicht mehr,
wie ungeschorener Samt, unnennbar schön,
als wenn der Bart nur angedeutet wär
–– ein Mangel? Liebenswürdig wirkte er.
Man fragte sich: wars gut so, wie es war?
Wärs ohne Bart noch besser? Völlig bar?

‘Er gab sich, wie er war: gewandt und schön,
sprach mädchenzüngig sanft, doch frank und frei;
im Streit mit Männern war er anzusehn
wie diese Stürme im April und Mai,
sie atmen süß und sind so wild dabei.
Und war er roh –– die Jugend lieh ihr Kleid
der Unschuld seiner Unverfrorenheit.


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