William Shakespeare: A Lover's Complaint, Teil 2
William Shakespeare
A Lover's Complaint
übersetzt von Günter Plessow
Teil 2 (106 - 217)
Wel could hee ride, and often men would say
That horse his mettell from his rider takes
Proud of subiection, noble by the swaie,
What rounds, what bounds, what course, what stop he makes
And controuersie hence a question takes, 110
Whether the horse by him became his deed,
Or he his mannag’d, by’th wel doing Steed.
But quickly on this side the verdict went,
His reall habitude gaue life and grace
To appertainings and to ornament, 115
Accomplisht in him–selfe not in his case:
All ayds, them–selues made fairer by their place,
Can for addicions, yet their purpos’d trimme
Peec’d not his grace but were al grac’d by him.
So on the tip of his subduing tongue 120
All kinde of arguments and question deepe,
Al replication prompt, and reason strong
For his aduantage still did wake and sleep,
To make the weeper laugh, the laugher weepe:
He had the dialect and different skil, 125
Catching al passions in his craft of will.
That hee didde in the general bosome raigne
Of young, of old, and sexes both inchanted,
To dwel with him in thoughts, or to remaine
In personal duty, following where he haunted, 130
Consent’s bewitcht, ere he desire haue granted,
And dialogu’d for him what he would say,
Askt their own wils and made their wils obey.
‘Gut reiten konnte er. Oft sagte man:
Dies Pferd hat Feuer –– das des Reiters. Seht,
wie stolz sichs fügt! Wie edel stellt sichs an,
wie gehts im Kreise, springt und trabt und steht!
Und mancher Streit hat darum sich gedreht:
Kommt sein Geschick dem Pferde nun zugute,
oder ist seine Kunst die Kunst der Stute?
‘Schnell fiel das Urteil dann für ihn –– mit Fug:
Er hauchte wirklich Leben ein und An–
mut dem, was er besaß und was er trug,
in sich vollendet, nicht im Drum und Dran;
das alles war am Platze –– schön, wohlan ––
doch blieb es Beiwerk, mehrte ohnehin
nicht seinen Reiz, war reizend erst durch ihn.
‘Er trug den Sieg schon auf der Zungenspitze,
er konnte fragen, Diskussion entfachen
und Antwort geben, die Gedankenblitze
warn abrufbar im Schlafen und im Wachen,
konnt Weinen lachen, Lachen weinen machen.
Er fand das rechte Wort, den rechten Ton
und lenkte, wie ers wollte, die Passion,
‘so daß er herrschte über jede Brust,
Jung oder Alt, Weib oder Mann bewegte,
mit ihm zu sein –– zu denken: welche Lust ––
zu folgen, wohin er zu gehen pflegte,
Verlangen zu erfüllen, eh sichs regte,
für ihn zu sprechen, was er sagen wollte,
und das zu wollen, was man wollen sollte.
Many there were that did his picture gette
To serue their eies, and in it put their mind, 135
Like fooles that in th’imagination set
The goodly obiects which abroad they find
Of lands and mansions, theirs in thought assign’d,
And labouring in moe pleasures to bestow them,
Than the true gouty Land–lord which doth owe them. 140
So many haue that neuer toucht his hand
Sweetly suppos’d them mistresse of his heart:
My wofull selfe that did in freedome stand,
And was my owne fee simple (not in part)
What with his art in youth and youth in art 145
Threw my affections in his charmed power,
Reseru’d the stalke and gaue him all my flower.
Yet did I not as some my equals did
Demaund of him, nor being desired yeelded,
Finding myself in honour so forbidde, 150
With safest distance I mine honour sheelded,
Experience for me many bulwarkes builded
Of proofs new bleeding which remaind the foile
Of this false Iewell, and his amorous spoile.
But ah who euer shun’d by precedent, 155
The destin’d ill she must her selfe assay,
Or forc’d examples gainst her owne content
To put the by–past perrils in her way?
Counsaile may stop a while what will not stay:
For when we rage, aduice is often seene 160
By blunting vs to make our wits more keene.
‘Wie viele hatten sich sein Bild beschafft
als Augenweide, und versetzten sich
hinein, wie Narren tun (Einbildungskraft
macht Dinge, die sie sehen, eigentlich
zu ihren Dingen, sie ergötzen sich
an schönen Parks, als wenns die ihren wären,
mehr als der Gichtige, dem sie gehören).
‘So manche meinte, er gehöre ihr,
und hatte seine Hand nie angerührt.
Ich Elende war frei, gehörte mir,
war unabhängig –– was hab ich gespürt?
Ob Jugend, ob Gerissenheit verführt?
Wars Zauberkraft, daß ich den Kopf verlor,
den Stiel behielt –– und gab ihm meinen Flor?
‘Ich bot mich ja nicht an, wie andre taten,
ich ging nicht gleich auf seine Wünsche ein,
ich –– muß ich jetzt der Ehre auch entraten ––
ich hielt Distanz, das schien mir Schirm zu sein.
Was ich erfuhr von diesem Edelstein,
von Liebeswunden, die aufs neue bluten,
bestärkte mich, nur Talmi zu vermuten.
‘Doch hätte eine je von dem, was war,
sich warnen lassen –– und nicht selbst probiert?
Vermeiden wir vermiedene Gefahr?
Ists nicht das Beispiel, das uns animiert?
Ein guter Rat –– mag sein, er retardiert ––
doch sind wir außer uns, dann hat ers schwer
und schärft die Lebensgeister nur noch mehr.
Nor giues it satisfaction to our blood,
That wee must curbe it vppon others proofe,
To be forbod the sweets that seemes so good,
For feare of harmes that preach in our behoofe; 165
O appetite from iudgement stand aloofe!
The one a pallate hath that needs will taste,
Though reason weepe and cry it is thy last.
For further I could say this mans vntrue,
And knew the patternes of his foule beguiling, 170
Heard where his plants in others Orchards grew,
Saw how deceits were guilded in his smiling,
Knew vowes, were euer brokers to defiling;
Thought Characters and words meerly but art,
And bastards of his foule adulterat heart. 175
And long vpon these termes I held my Citty,
Till thus hee gan besiege me: Gentle maid
Haue of my suffering youth some feeling pitty
And be not of my holy vowes affraid,
Thats to ye sworne to none was euer said, 180
For feasts of loue I haue bene call’d vnto
Till now did nere inuite nor neuer vovv.
All my offences that abroad you see
Are errors of the blood none of the mind:
Loue made them not, with acture they may be, 185
Where neither Party is nor trew nor kind,
They sought their shame that so their shame did find,
And so much lesse of shame in me remaines,
By how much of me their reproch containes,
‘Nein, es befriedigt nicht, wenn wir das Blut,
wie uns gepredigt wird, nur zügeln sollen;
wenn wir die Süße, die so gut uns tut,
aus Angst vor Schaden selber nicht mehr wollen.
Vernunft und Appetit –– verschiedne Rollen!
Was einen Gaumen hat, das will auch kosten;
wer weint und warnt, steht auf verlorenem Posten.
‘Der Mann ist treulos, konnte ich mir sagen,
ich kannte seine Schliche, hatt gehört,
wo fremde Gärten seine Früchte tragen,
gesehn, wie er mit falschem Gold betört,
erkannt, zu welchem Ende einer schwört
in Schrift und Rede –– Kunst wars lediglich,
aus falschem Herzen kams, das wußte ich
‘und hielt mich dran und hielt es lang, mein Städtchen,
das er berannte, bis er so begann:
„HAB ETWAS MITGEFÜHL, mein holdes Mädchen,
und keine Angst! Hör meine Schwüre an!
So sprach ich noch zu keiner irgendwann:
Kein Liebesfest, um das ich jemals freite,
ich ward geladen, lud nie ein –– bis heute.
‘„In meinem Handeln magst du Sünde sehn,
doch wars das Blut, das irrte. Wie es kam?
Nicht Liebe handelte –– es ist geschehn,
weil keines an dem andern Anteil nahm.
Die Schande suchten, fanden sie, und Scham;
und umso weniger Schande trage ich,
je mehr sie sich beschweren über mich.
Among the many that mine eyes have seene, 190
Not one whose flame my heart so much as warmed,
Or my affection put to th,smallest teene,
Or any of my leisures euer Charmed,
Harme haue I done to them but nere was harmed,
Kept hearts in liueries, but mine owne was free, 195
And raignd commaunding in his monarchy.
Looke heare what tributes wounded fancies sent me,
Of palyd pearles and rubies red as blood:
Figuring that they their passions likewise lent me
Of greefe and blushes, aptly vnderstood 200
In bloodlesse white, and the encrimson’d mood,
Effects of terror and deare modesty,
Encampt in hearts but fighting outwardly.
And Lo behold these tallents of their heir,
With twisted mettle amorously empleacht 205
I haue receau’d from many a seueral faire,
Their kind acceptance, wepingly beseecht,
With th’annexions of faire gems inricht,
And deepe brain’d sonnets that did amplifie
Each stones deare Nature, worth and quallity. 210
The Diamond? why twas beautifull and hard,
Whereto his inuis’d properties did tend,
The deepe greene Emrald in whose fresh regard,
Weake sights their sickly radience do amend.
The heauen hewd Saphir and the Opall blend 215
With obiects manyfold; each seuerall stone,
With wit well blazond smil’d or made some mone.
‘„Nicht eine unter vielen, die ich sah,
die mich entflammte, mir das Herz erwärmte,
die mein Gefühl erregen konnte, ja,
von der ich wenigstens ein wenig schwärmte.
Mein Herz war frei. Nicht ich wars, der sich härmte.
Sie härmten sich, ihr Herz, es trug Livree,
das meine herrschte über Wahn und Weh.
‘„Sieh hier! Das sandten mir die Liebeswunden
an Perlen und Rubinen als Tribut,
als Zeichen für die Glut, die sie empfunden;
Erbleichen und Erröten –– es war gut
erfaßt und dargestellt durch Weiß und Blut,
wie sich die Scheu zurückzuhalten zwingt
im Herzen, doch im Kampf nach außen dringt.
‘„Und sieh dies schwere Haar, zu einem Ring
gewundne, golddurchwirkte Amulette,
die von so mancher Schönen ich empfing,
in Tränen, wenn ichs ausgeschlagen hätte!
Und Gemmen und tiefschürfende Sonette,
die jedes Steines Wesen lang und breit
zu deuten wußten, Wert und Eigenheit:
‘„Der Diamant? Nun, damit drücke man
das Schöne aus, die innere Konstanz;
Smaragd? Im tiefen Grün erquicke man
die müden Augen, sauge neuen Glanz;
Saphir? Des Himmels Blau; Opal? Man kanns
vielfältig deuten; jeder dieser Steine,
mit Witz geschildert, lächle oder weine.