Utz Rachowski: Es fielen die schönen Bilder
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Barbara Zeizinger
Utz Rachowski: Es fielen die schönen Bilder. Gedichte. Leipzig (Poetenladen Verlag - Reihe Neue Lyrik – Band 22) 2021. 168 Seiten. 19,80 Euro.
Wurzeln, Wege und ein Hündchen
Der neue Gedichtband von Utz Rachowski, Es fielen die schönen Bilder, ist ein Stück Zeitgeschichte.
Die beiden Zitate, die Utz Rachowski seinem Buch vorangestellt hat, könnte man im Grunde als eine Art Zusammenfassung seiner Gedichte lesen. … und übe keine Vergeltung wahrlich es liegt nicht an dir / nachsicht zu üben im namen derer die in der frühe verraten wurden // hüte dich dennoch vor überflüssigem hochmut, schreibt der polnische Dichter Zbigniew Herbert, und Rachowskis Freund Adam Zagajewski fügt hinzu: Die Engel haben keine Zeit mehr für uns; / sie arbeiten jetzt für künftige Generationen.
Dass
Rachowski zwei polnische Kollegen zu Wort kommen lässt, ist kein Zufall, hat er
doch selbst polnische Wurzeln, wie er im ersten Gedicht Verankerung &
Standorte beschreibt, und diese seine Verortung spiegelt sich in vielen
Gedichten wider. So verliert das lyrische Ich die schönen Bilder des
Titelgedichts In Glatz / das Kłodzko heißt, trifft in Wrocław auf
schlagende Studenten, und die sagen mir alles / alles ist / wieder möglich. Nicht
nur in guten Zeiten hat Utz Rachowski Verbundenheit mit Polen zum Ausdruck
gebracht. Wie Jan Kuhlbrodt im Nachwort schreibt, ist er auch zu Zeiten des
Kriegsrechts 1981 nach Polen gefahren, um Verfolgten zu helfen und polnische
Literatur rauszuschmuggeln. Poetisch hört sich das dann so an: Die Polen /
haben womöglich / ein gutes Gedächtnis // denn sie / erinnern sich / mit dem
Herzen // Vielleicht auch / weil ich der / einzige Schriftsteller // war / der
sie / besuchte damals // in der Dunkelheit / dieser Stadt mit den / früh
abgeschalteten Laternen // als der Kriegszustand / über sie verhängt war.
Er
selbst war in der DDR großen Repressalien ausgesetzt. Als Vertriebener im
eigenen Land, der später zurückkehren konnte, identifiziert er sich mit Giorgio
Bassani, kennt keinen Unterschied Zwischen // Ferrara / und / Reichenbach im
Vogtland // beide / kehrten wir zurück // von wo sie uns wegbrachten. Doch
dazwischen liegt ein weiter Weg und nicht umsonst ist das zweite Kapitel mit Wege
überschrieben, und diese Metapher taucht in unterschiedlichen
Zusammenhängen auf. Welchen Weg / ging ich eigentlich? fragt er sich in
dem Schlüsselgedicht über seinen Lebenslauf. Frisch /aus der Oberschule //
geflogen, dann Ausbildung zum Schlosser, Vernehmung bei der politischen
Polizei, 14 Monate Gefängnis, deutsches Exil usw. Doch diese Fakten stehen
nicht isoliert da, sondern sind eingebettet in sinnliche poetische Zeilen. Allein
der Weg durch die Stadt ist bemerkenswert, mit der Aufzählung all der Straßen,
die in die Erkenntnis mündet Vom Osten kommt kein Licht! // und Limbach
langgestreckt / gab Signale: // gib‘ dich nicht auf! In diesem Gedicht kann
man sehen, wie gut diese kurzen Zeilen mit dem entsprechenden Enjambement
funktionieren. So wird beispielsweise das Wort geflogen, indem es eine
eigene Strophe bildet, in seinem Ausmaß besonders hervorgehoben.
Welche
Wege er und viele seiner Gefährten gegangen sind, wird auch in anderen
Gedichten thematisiert. Die Freunde gehen / nach links / mit dem Wind //
gehen nach rechts / mit der Zeit, heißt es in Später Taumel. Oder
wenn er das berühmte Gedicht von Robert Frost The Road Not Taken ein
/ wenig langweilig findet, denn ich / bin alle gegangen // ohne Wahl //
und das machte / den ganzen Unterschied. Auch hier erhält die wesentliche
Aussage, ohne Wahl eine eigene Strophe.
Begegnungen
mit vielen Gefährten, Freunden werden erwähnt. Christoph Meckel, Peter Kurzeck,
Wolfgang Hilbig, Rainer Kunze und vor allem Jürgen Fuchs, dessen letztes
Gedicht er zitiert.
Utz
Rakowskis romantische Seite wird deutlich bei den Liebesgedichten an
seinen in Pennsylvania lebenden Hund Suki. Einerseits teilt er ihm seine oft
unromantischen Gedanken mit, andererseits ist von weißer Wolkenkatze die
Rede, und besonders in den Gedichten für das verstorbene Hündchen unterm
Sternenzelt lesen wir von einem Mondboot, einer Mondfrau, einer
Mondschaukel, zu der sogar der verstorbene Adam Zagajewski eilt,
um Suki das Vorwort zu meinem Gedichtband zu bringen. Natürlich //
wie zu erwarten / sprachen sie // gleich über Unsterblichkeit.
Gerade
diese Kapitel über das Hündchen Suki zeigen die Vielseitigkeit von Utz Rachowski.
Es ist so, wie Jan Kuhlbrodt in seinem Nachwort schreibt. Trotz seiner vielen
negativen Lebenserfahrungen hat sich Utz Rachowski einen Optimismus bewahrt.
Und wie man an mehreren Gedichten sieht, auch seinen Humor.