Direkt zum Seiteninhalt

Tómas Ævar Ólafsson: der duft von olivenöl

Werkstatt/Reihen > Reihen > Wortlaut Island
Foto: Eva Schram
Tómas Ævar Ólafsson

der duft von olivenöl

(Aus: UMFRAMFRAMLEIÐSLA / ÜBERPRODUKTION, Una útgáfahús, Reykjavík 2021)

Aus dem Isländischen übertragen von Jón Thor Gíslason und Wolfgang Schiffer


der duft von olivenöl
folgt dir die straße hinab
im kalten januarwind

du wartest
in dem bushäuschen
wartest

vor dir
biegen sich
die verkehrsregeln
wie vom wind geschlagene bäume
klamme knochen

krümmen sich
unter dem eingeschränkten raumbewusstsein
schwerer charaktere

du wartest

die stadt klingt wie eine lüftungsanlage
ein luftbefeuchter auf der fensterbank
ein spülkasten der sich füllt  

unter den haarwurzeln
ein instabiles kraftwerk
einundzwanzig watt*
über der norm

ein leben über das leben hinaus
über das leben hinaus

* Die Zahl „einundzwanzig“ geht auf einen Artikel des amerikanischen Arztes Duncan MacDougall aus dem Jahr 1907 zurück, in dem dieser auf der Basis von Gewichtsveränderungen, die der menschliche Körper vor und nach dem Tod aufweist, die Theorie darlegt, dass die Seele materiell sei und ein Gewicht von 21 Gramm habe. Diese Annahme durchzieht in einer Art poetischem Spiel den gesamten zyklisch gebauten Gedichtband.


Tómas Ævar Ólafsson, geb. 1989 in Akranes, einer Hafenstadt nördlich von Reykjavík, lebt heute im Westteil von Islands Hauptstadt. Er schloss sein Studium an der Universität von Island mit einem MA in Philosophie ab und beendet zurzeit seinen MA in Kreativem Schreiben. Aufmerksamkeit erregte er durch seine Programmgestaltung bei RÁS 1, einer populären Radiowelle des RÚV, des nationalen öffentlichen Rundfunks in Island. Außerdem erschienen literarische Arbeiten in Literaturzeitschriften, Anthologien und auf den Rück-seiten von Schallplatten-Covern. UMFRAMFRAMLEIÐSLA / ÜBERPRODUKTION ist sein erster Gedichtband.
Zurück zum Seiteninhalt