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Siegfried Völlger: Pilzfreund Bielers Posaune

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Andreas Hutt

Siegfried Völlger: Pilzfreund Bielers Posaune. Gedichte. Dortmund (edition offenes feld) 2021. 96 Seiten. 16,00 Euro.

Freundesgruß –
Siegfried Völlgers Gedichtband „Pilzfreund Bielers Posaune“


„Pilzfreund Bielers Posaune“ nennt Siegfried Völlger seinen Anfang des Jahres in der edition offenes feld erschienenen Gedichtband, um diesen auf den ersten Blick rätselhaften Titel durch ein dem Buch vorangestelltes Zitat von Johannes Bobrowski zu erläutern:

Freundesgruß

Lieblich erschallt
Vom Rahnsdorfer Wald
Pilzfreund Bielers Posaune

Diesem Zitat scheint eine für den gesamten Band gültige Programmatik eigen zu sein, denn die Gedichte wirken wie eine Art „Freundesgruß“, da sie zumeist harmonisch, sprachlich schlicht und bescheiden daherkommen, was durch die permanente Kleinschreibung und die Titellosigkeit der meisten Gedichte unterstützt wird. Auch das Motiv der Posaune lässt sich in den Texten als dasjenige Instrument wiederfinden, das den Übergang vom Leben zum Tod begleitet, als Weck- oder Warnruf. Folgerichtig thematisieren nicht wenige Gedichte das Älterwerden, den Tod von Menschen, die einst Weggefährten waren, oder sie greifen die christlich-mythologische Vorstellungswelt auf. Die Posaune weist signalhaft darauf hin, dass es in vielen der Gedichte um gesellschaftliche Missstände oder um das Leben im Allgemeinen geht, was in den Fokus der Wahrnehmung des Lesers gerückt werden soll.
    Jedem der sieben Kapitel wird das Zitat eines Schriftstellers oder einer Schriftstellerin vorangestellt, das inhaltlich auf die nachfolgenden Texte verweist, aber auch die literarischen Vorbilder des Autors transparent macht. Neben dem bereits genannten Johannes Bobrowski sind das u.a. Günter Eich, Rainer Malkowski, William Carlos Williams, Charles Bukowski und Bertolt Brecht, der zwar nicht erwähnt wird, aber als maßgeblicher Einfluss auf die Lyrik des zwanzigsten Jahrhunderts in den Gedichten als Referenz mitschwingt.

Inhaltlich stellen die Texte Siegfried Völlgers den Versuch der Reflexion des Lebens und der Gesellschaft durch ein lyrisches Ich mittels kurzer, aphoristischer, häufig auf eine Pointe hinauslaufender Gedichte dar: Wo stehe ich? Was nehme ich wahr? Was an dem Wahrgenommenen bringt mich zum Nachdenken? Die Themen reichen dabei von – wie bereits erwähnt – Tod, Erinnerungen an ein gelebtes Leben, christlicher Metaphysik, Armut, gesellschaftlichen Miss-ständen bis zu Mitgefühl mit Benachteiligten der Gesellschaft. Das poetische Verfahren Völlgers besteht darin, dem Leser kurz, bildhaft exakt, eine Situation zu skizzieren („die kleine mauer/die das rutschende auto/ aufgehalten hat“ oder „wir werden alle bücher kaufen/ alle bücher, die es gibt auf der welt“), die im weiteren Verlauf inhaltlich oder narrativ ausgestaltet wird, um schließlich mittels einer Pointe abgeschlossen zu werden, die den Rezipienten dazu bringt, das Gelesene Revue passieren zu lassen, zu reflektieren. Auf diese Weise transportieren Völlgers Gedichte Welthaltigkeit.

Manchmal hätte man sich ein bisschen mehr Komplexität in Bezug auf das Zusammenwirken von Pointe und Alltagsbeobachtung/ Alltagssituation gewünscht, manchmal fehlt der eine oder andere verbale oder inhaltliche Widerhaken, der die Harmonie der Texte stört, aber diese kleineren Schwächen des Bandes werden durch eine den Gedichten immanente Bildhaftigkeit wettgemacht, z.B.:

auf der linken seite
stehen fünf eichen
zwei, zwei, eine

auf der rechten seite fünf
zwei, eine, zwei

im dichten laub
dahinter
eine lücke, ein pfad
in die blätterwand
ins finstere

völlig unbegreiflich
warum ich drei mal
davor gestanden bin
mit dem gefühl
es zieht mich
es zieht mich
auf den pfad, in den wald

ganz unpraktisch auch
dass ich vergessen hab
ob ich hindurch gegangen bin
oder nicht

Auf diese Art und Weise zeigt der Band Siegfried Völlgers, dass Werke von Autoren wie Johannes Bobrowski, Günter Eich oder Rainer Malkowski noch immer produktiv nachwirken und heutige Schriftsteller zum Schreiben lesenswerter Lyrik inspirieren können – Gedichte, bei deren Lektüre der Autor dem Leser bzw. der Leserin manches Mal mit einem Auge verschworen zuzublinzeln scheint.  


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