Klaus Anders: Widerbart
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Klaus Anders
Widerbart (Epipogium aphyllum)
I
Unter dem
Mikroskop die Zellen
wie Glasbau, aus
Wassertropfen ein Gefüge,
strahlen im Licht
der Lampe,
zur flüchtigen
Blüte geballt.
Im Tag ein
Fremdling, stets
unterirdisch, von
einem Pilz genährt,
im hohen Humus,
im Moos
unbegangener
Wälder.
Hatte fast
vierzig Jahre
vergeblich
gesucht, aufgegeben
(und traf doch
auf so vieles
unverhofft), bis
hier:
aus einem
dunkelfeuchten Moder
die Geistlein,
zitternd, Lippen zum Licht.
Verschwunden
bald, auf Jahre.
II
Nicht weit von
Frankfurt liegt ein Schatten,
der zu Wald
gerann. Der Kiefern
rote Stämme, die
bei Hitze summen, bevor
Flammen aus der
Rinde schlagen. Dort im
Gehölz ein
Brunnen, der Wasserstrahl
tritt aus, fällt in
ein Becken, eine Rinne,
umspielt murmelnd
Stein.
Hier legte ich
den Finger
an dein
pulsierendes Herz,
wusste, dass es
bald
verstummen würde.
Noch aber sog es
begierig den Ölduft der Nadeln ein,
schwang in dem tiefen Summen.
Das Herz ist ein
Springkraut:
berührst eine
Kapsel kaum, da
reißt sie,
schleudert die Samen aus.
III
Dies ausgeglühte
Land jenseits
aller Träume, das ich im Traum sah
und nun, nach so viel Irrsal,
durchwandere. Und
finde einen Flint
mit geschlagenen
Kanten, scharf
wie ein Skalpell,
schneide Haut
bis Blut in die Asche tropft.
Das letzte Wort
weiß nicht, wer
es formte und
entließ, liegt als
Glasur auf
blinden Augen.
Der Himmel
gnadenloses Licht.