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Artur Nickel: perspektivenwechsel

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Stefan Hölscher

Artur Nickel: perspektivenwechsel. Gedichte. Vechta (Geest-Verlag) 2021. 124 Seiten. 14,80 Euro.

Multiple Bezüge


Der 1955 in Marburg geborene und seit den achtziger Jahren im Ruhrgebiet lebende, mittlerweile pensionierte Lehrer Artur Nickel ist im Feld der Literatur besonders als Initiator, Vermittler und Herausgeber hervorgetreten. Bedeutsam und in gewisser Hinsicht einzigartig in Deutschland sind dabei besonders die von Nickel seit 2005 herausgegebenen Essener Anthologien. Dabei handelt es sich um Sammelbände mit literarischen Beiträgen von Kindern und Jugendlichen zwischen 10 und 20 Jahren. Auch das von Nickel im Jahr 2000 gegründete EssenerKulturGespräch, das Kindern und Jugendlichen durch Ausstellungen, Lesungen und Theaterprojekte ein Podium bietet, hat überregionale Aufmerksamkeit erreicht.

Nickel hat aber auch selbst immer wieder Lyrik geschrieben und mehrere Bände veröffentlicht. Schon im Herbst letzten Jahres ist sein neuer Band perspektiven wechsel in Zusammenarbeit mit der Grafikerin Miriam Bornewasser im Geest-Verlag erschienen.

Nickels Gedichte sprechen von Beziehungen, Natur, Verantwortung, Gesellschaft…, von vielen großen Themen also. Sie tun dies allerdings mit schlichten Mitteln. Kennzeichnend für Nickels Lyrik ist einerseits ihre Kürze: Die einzelnen Verse bestehen oft nur aus ein bis zwei Worten, und die Gedichte sind auch insgesamt auffallend kompakt gehalten. Andererseits arbeitet Nickel in seinen Texten intensiv mit multiplen Bedeutungsbezügen, die er vor allem durch Enjambements und die durch Großschreibung markierte Hervorhebung von Bedeutungsträgern im Gefüge einzelner Worte bewirkt, so wie etwa hier:

licht
flecken
wACHSEn
(Seite 72)

oder hier:

g.rat
WANDerer
haken
(Seite 75)

In den meisten seiner Gedichte setzt Nickel auch grafische Elemente in Form von Einrückungen, Verschiebungen und das Generieren bestimmter Muster durch die Art der Textanordnung ein, so wie zum Beispiel hier:

als
erhaschte ich
einen blick
deiner augen

als
blühte mein
traum flor
in deinem haar

als
drehte mich
meine spiel
uhr

als
erübrigte sich
deine (nach)
frage

als
verließe ich
dich oder
mich

als

Das Spiel mit den von der Normalschreibweise abweichenden Anordnungen, Einrückungen und Verrückungen der Textelemente bringt dabei schon selbst grammatische, semantische und asso-ziative „Perspektivenwechsel“ mit sich. Verwoben mit anderen Sinnes- und Verarbeitungskanälen werden diese Wechsel dann durch die Grafiken von Miriam Bornewasser, die geometrisch-abstrakte Elemente mit konkreter Bildlichkeit verbinden. Text, Textdarstellung und Visualisierung können so beim Lesenden angestammte Anschauungen in Bewegung setzen und impressiv verweisen auf das, was im Schatten scheinbar feststehender Bedeutungen „verborgen ist“:

traum
ins nacht

weiße
:

ein vogel
felsen schlüpft

der licht
mond frisst

was in ihm
verborgen ist


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