Yu-Sheng Tsou: Drei Gedichte
Montags=Text
Foto: Frank Milautzcki
Yu-Sheng Tsou
Drei Gedichte
Des
Selbst Vorwort
Ich
verfolge meine Stimme
hin
zur Lücke. Eine zerteilbare
Ferne
zwischen den Köpfen der Fußgänger.
Mit
reichlichem Glauben
und
beschwingtem Schritt.
Eine
Flagge, die sich in der Höhe immer wieder entfaltet und aufrollt,
schickt
mir nach langem Zusehen verspätete Streichelgeräusche.
Es
geht um eine Art Kunstgriff, die Distanz abzuschätzen.
Ich
zähle die Sekunden, nachdem die Blätter gefallen sind:
unendlicher
Regress, Sammlung
eines
möglichen Gewitters. Stummer Donner.
Dort
versammelt das Orchester immer wieder seine Spieler.
Wir
treten in seinen sich verbreiternden Raum ein,
zwischen
den Stühlen umhergehend,
etwas
kickend, stoßend und verlierend.
die
gelernten Wörter stimmend.
Kurz
darauf lasse ich meine Augen
zwischen
den herabfallenden und aufspritzenden Regentropfen herumdrehen,
als
würden sie eine Motte verfolgen.
Auf
den Graustufen der Schatten wurde ein Musikinstrument identifiziert:
Verlasse
mich,
Trage
im Regen die durchschnittlichen Töne.
Die erste Phase des Schnees
Nachdem sich der Nebel geöffnet hat,
berührt Transparenz die Wangen,
die schwer wie eine Hand ist.
5℃. All meine Geäußerten, als wären sie
Verwandte,
halten meine beiden Hände. In diesem Foto habe
ich keine Worte.
In der transparenten Atmosphäre widersteht
die Ferne den sich spaltenden
Zweigen eines Straßenbaums: ein Innenland, in
dem
Tropfen für Tropfen unterirdische Flüsse
verschwinden.
Manche Augenblicke, wo sich der Schwerpunkt
verschiebt,
wo das Begehren, ein Anderer zu werden, gekühlt
wird,
gleich einem Kiesel, in die neue niedrigere
Position der Höhle
rollt.
Es überquert die Wiese,
bis zu einer Wand voller geschlossener Fenster.
Kann sein, dass etwas steht und koinzident vom
kalten Teil der Luft durchdrungen wird.
Ein Vehikel wanderte einmal auf den Straßen.
Es begegnete nicht wenigen Sprechenden.
Schwerer geworden,
es wird nichts.
Rolltreppe Richtung Marienplatz
— auch an den
ikonischen Dante auf dem 2 Eurostück
rechts stehend
gleichmäßig aufsteigend
bald eine Minute, ein Nickerchen im Limbus.
es wäre erlaubt, aber ich habe mich nicht nahe
an die sich öffnenden und schließenden Münder begeben,
auch wenn ich ihnen immer noch zuhöre.
Dem Wind aus dem großen Markt trotzend,
die Embryos bleiben im Gegenlicht.
Aus Schatten erwachsen langsam ihre Gesichter.
Keines kenne ich.
Eine Stufe mit Sägezähnen gibt sich zurück,
wendet sich auf dem Förderband um, und versinkt.
Wörter —welche Bauelemente benötigt ein ewiges Drehbuch, die
manchmal strahlend werden?
Schotter des Blumenbeets.
Yu-Sheng Tsou (geb. 1987) kommt aus Taiwan. Er promoviert
gerade an der LMU zum Thema der esoterisch buddhistischen Ritualgedanken.