Yevgeniy Breyger: Erfinden
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Yevgeniy Breyger
ERFINDEN
ich sammle gerne spitze steine
sie passen nicht in meine schüssel
wenn ich sie ohne seife wasche
behalten sie den schönen schimmer
ich trage sie an fremde betten
damit sie nicht in meinem liegen
verrückt wie hell der himmel leuchtet
*
ich trage eine kleine feder
vom rücken eines dunklen vogels
sie lässt mich mit den händen spüren
was menschen mir nicht sagen mögen
an kalten tagen will ich wissen
wo dunkle vögel überwintern
mein kopf folgt seltsamen gesetzen
*
ich habe eine liebe mutter
sie lässt mich bei den steinen schlafen
verrate ich ihr meinen namen
erklärt sie mir die sonnenwende
am abend zähle ich die sterne
die mich an ihr gesicht erinnern
ich fürchte mich vor jedem anfang
*
im garten wachsen dicke kröten
mit blauen aufgeblähten köpfen
sie biegen sich in eine richtung
versammeln blütenstaub zu inseln
wenn ich an meine kindheit denke
will ich sie ohne scham bewundern
was weiß ich von der winterkälte
*
mein herz ist eine sammelurne
für blicke panischer insekten
bevor ich meine augen öffne
verwandeln sie sich in patronen
ich möchte mich an sie erinnern
wie steine an die spur von wasser
ich sitze auf dem küchenboden
*
am fenster perlen blinde fliegen
verkünden mir die frohe botschaft
vom bett aus sehe ich sie grinsen
zu salz erstarren an den rändern
der himmel droht mit donnermaske
wie kann ich jemals wieder träumen
im himmel thront die donnermaske
Yevgeniy Breyger: Gestohlene Luft. Gedichte. Berlin (kookbooks) 2020. 72 Seiten. 19,90 Euro.