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Wolfram Malte Fues: InZwischen

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Jayne-Ann Igel


„Die Zeit ist in den Fugen“

Notizen zu Wolfram Malte Fues neuem Gedichtband „InZwischen“


Mit „InZwischen“ legt der Autor nach „dual digital“ (Passagen Verlag, 2011) seinen bislang fünften Gedichtband vor, und schon der Titel imaginiert, daß im Zentrum der dichterischen Umtriebe in diesem Band die Sondierung eines räumlich wie zeitlich determinierten Dazwischenseins steht, zwischen den Dingen, Worten, Lauten, Leben, Zeiten …

Viele der Gedichte muten wie Notate an, offenbaren einen aphoristischen Kern, auch wenn es sich um längere Texte handelt; Zeile für Zeile geprägt von einem Hintersinn. Sie speisen sich aus Beobachtungen, denen man nachgehen und nachsinnen kann, wie etwa den Strahlen der Sonne (S. 28), die sich über die Buchrücken in einem Regal bewegen, sich von Hegel zu Marx vortasten, sie in ihrem Schlaglicht aufscheinen lassen und damit Raum für eigene Deutungen schaffen. So funktioniert bei Fues oft der Vers. Gut zu beobachten auch am Beispiel eines durchkonjugierten Musterlebens, auf zehn Zeilen komprimiert:


in einem weißen stall
auf die welt kommen
jung werden lernen
spaß haben lernen
arbeiten lernen
heirat familie
kinder scheidung
alt werden lernen
aus der welt gehen
in einem weißen stall

(S.16)


Im ersten Moment mag man sich an die biblische Weihnachtsgeschichte erinnert fühlen, doch im weiteren Verlauf wird dies konterkariert, mit einer poetischen Präzision, die entwaffnend wirkt.

Redewendungen und Sprichwörtliches finden sich ohnehin oft bizarr gegen den Strich gebürstet, was Raum für Assoziationen eröffnet, eine andere Sicht auf Vertrautes. Im Eingangsgedicht heißt es beispielsweise: Die Zeit ist in den Fugen. Und dies mit reichlich Druck, verlangt es mich zu ergänzen, mit einem Druck, der die Fugen nachdunkeln, das Ganze möglicherweise bersten läßt, irgendwann. Es sind pointierte Texte, in denen der Autor dem Wortsinn, den Wortbedeutungen auf der Spur ist, damit auch spielerisch umgeht, für Verunsicherung sorgt, den Leserinnen und Lesern dabei ein Quantum an Gedankenarbeit abverlangt. Auf den Punkt gebracht in ihrer dialogischen Natur empfinde ich auch die Zeichnungen von Thitz, eines bei Stuttgart lebenden Malers, die jedem einzelnen Text gegenübergestellt sind, mal eher illustrativ, mal antithetisch.

Wolfram Malte Fues poetisches Verfahren erinnert mich an Inszenierungen auf einer Bühne: in der ersten Strophe wird oft skizzenhaft das Interieur des Bühnenraums eingeführt, aus dem heraus sich dann der Text entwickelt.


Der schwarze Tann.
Der graue Himmel.
Der weiße Weg.

Die Zigeunerin flammt
ihren Hochzeitsrock
in drei Mäntel, die
tastsüchtig sind
nach verkleideten Farben.

                                                   (S. 30)


Daneben stehen leider auch Gedichte, die mir allzu sehr verliebt in Wortspiel und -witz scheinen, als daß ein Mehrwert erkennbar wäre (siehe z.B. S. 44).

Das altersbenotete literarische Ich (Fues feiert dieses Jahr seinen 70.) blickt gelegentlich auf das Altersgewicht, das bestimmt vom Noch nicht und Nicht mehr, setzt dieses 70. Jahr eines Lebens ins Verhältnis zur Zeit, da es erst 20 Jahre zählte, verkürzt die Perspektive, als wäre es nur einen Lidschlag her. In diesem Sinne sondierend wirken die Gedichte zum Teil anachronistisch, was hier überhaupt nicht negativ gemeint ist. Die 70 erscheint als Klippe, von der zu blicken so waghalsig wie verlockend – der Autor behält das Gleichgewicht, den Blick in den Abgrund hinauf gerichtet. (S. 112)

Überhaupt sind es die persönlicheren Texte resp. Texte, die auch persönliches Befinden reflektieren und einbeziehen, die mich ansprechen. Sie erscheinen mir weniger vorrangig auf Sprachwitz und Erfindungslust abgestellt, wirken verbindlicher, emotionaler. In ihnen schwingt neben der Hintersinnigkeit etwas mit, das sich nicht „auflösen“ läßt, vielleicht ein Rest von Geheimnis …

Sanft
entschlafe ich nicht
weder nach langer noch kurzer
Krankheit, schon gar nicht
geduldig ertragend.
Ende der Durchsage. Aber
ich würde mich auf der Schwelle
von Ab und Ver gern
nach Dir umsehn.

                                                      (S. 96)



Oktober 2014


Wolfram Malte Fues: InZwischen. Gedichte. Mit Zeichnungen von Thitz. München (Lyrikedition 2000 im Allitera Verlag) 2014. 128 Seiten. 16, 50 Euro.

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