Wolfgang Schiffer: Karfreitag, eine Erinnerung
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Wolfgang Schiffer
Karfreitag, eine Erinnerung
Schön früh am Morgen seift der Vater
die Tapete mit einer Lauge ein, Jahr für Jahr,
zumeist in der Küche, seltener im Wohnzimmer,
in den Schlafzimmern fast nie.
Und sobald die Lauge Bläschen treibt
auf dem festen Papier, wird dem Sohn ein Schaber
in die Hand gedrückt und die Weisung erteilt,
die Tapete von der Wand zu lösen.
Beschädigen des Feinputzes bei Strafe verboten,
und während er ihr zu entgehen trachtet,
hat der Vater längst den Tapeziertisch aufgeklappt
und schneidet nun Bahnen einer neuen Tapete.
Später, wenn der Tapetenkleister klumpt,
eine Bahn nicht akkurat in die Senkrechte fällt,
das Muster der rechten nicht zum Verlauf
des Musters der linken passen will,
dann ertönt zorniges Geschrei von dem Fußtritt,
auf dem der Vater steht bei seinem verborgenen
Tun im Haus, während andere ringsum
im Hause Gottes still den Tod Jesu Christi beweinen.