Wolfgang Schiffer: Gesprächsverlauf
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Wolfgang Schiffer
Gesprächsverlauf
Als ich damals, vor vielen Jahren, einem bedeutenden Dichter, einem
Atomdichter, von der rauen Insel im Nordmeer gegenübersaß, dem nachgesagt
wurde, dass er äußerst menschenscheu sei, ja wahrscheinlich längst unter einer
Art Verfolgungswahn litte, der es ihm unmöglich mache, sich mit anderen
Menschen zusammenzusetzen, da war mir durchaus klar, welch eine Ehre mir
zuteilwurde, saßen wir doch zusammen, genauer, einander gegenüber auf zwei
Holzbänken der Außengastronomie eines Lokals auf dem Laugarvegur und hatten
jeder ein Bier vor sich stehen und sagten einander kein Wort. Letzteres war
nicht etwa dem Umstand geschuldet, dass wir uns, dies kann ich zumindest für
mich sagen, nichts zu sagen gehabt hätten; es war nur so, dass er außer
Isländisch keine andere Sprache sprach und ich zwar zwei bis drei, aber zum
damaligen Zeitpunkt kein Isländisch. Heute denke ich manchmal, dass Menschen
keine Angst voreinander haben müssen, solange sie sich nicht in Worten
miteinander unterhalten.