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Werner Weimar-Mazur: vogelmenschen sprechen armenisch

Gedichte > Gedichte der Woche
Werner Weimar-Mazur

vogelmenschen sprechen armenisch

Es sind die Toten, die den Lebenden die Augen öffnen.
(aus Katerina Poladjan: Hier sind Löwen. Roman, Frankfurt a.M., 2019)

kaukasische verse strömen durch unseren garten

wir zählten walnüsse mandeln aprikosen
häuften wir zu seltenen erinnerungen gefühlen
die uns überkamen beim anblick von ausgetrockneten flussbetten
nur an den quellen in den bergen
führten die flüsse wasser in den weiten ebenen
den städten fielen sie trocken
zählten wir granatapfelkerne am himmel flugzeuge
häuften wir zu stimmen unserer ahnen
erzählten sie von kämpfen kriegen
flüsterten vom meer
dem die flüsse kein wasser brachten sondern leid

säumten walnuss mandel aprikosenbäume die straßen
als wir hinaus fuhren aus der stadt in die dörfer
sangen die gräser traurige lieder
weinten die mönchsgrasmücken die trauermäntel mit ihnen
stimmten wir ein in gesänge aus einer alten zeit

der wind ging kalt
durch die wälder zogen manifeste
minenräumkommandos
suchende findende blicke von liebespaaren
die sich trafen unter den zweigen der wilden aprikosen

das wetter war wie geschaffen für vogelmenschen
für das korn auf den feldern das sich wiegte
in unseren armen
die wir ausbreiteten zu flügeln
über landschaften flogen vergangenheiten

wir lagen nebeneinander
unsere federkleider raschelten bei jeder berührung
nachdem der regen aufgehört hatte
erhoben wir uns schritten majestätisch
in die richtung von schmerzen dass sie uns schützten

in der ferne erschien der ararat im schnee

manchmal träume ich davon
dass noah am ararat vorbei fährt
auf der suche nach einem besseren platz


In "Wunderwerk Text" - Literaturwettbewerb 2020. Die Gruppe 48 e.V.


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