Werner Weimar-Mazur: Dreimal für SAID
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Werner Weimar-Mazur
Dreimal für SAID
der wolf
brachte die sprache auf deine augen
(SAID: [der wolf]. Gedicht. 2007)
ich überwintere in deiner sprache
friere ich nicht
deine hand greift hinein
in das flüstern die stimmen
bewegt der mond der stille
die meere
hörst du im stadtpark
am weiher das brechen des eises
jede rinde trägt eine spur
schnee den du nicht gehört hast
durchs windland ziehen traurige gestalten
und der wind geht durch sie hindurch
mollusken
sind treu
wie
alte gewohnheiten oder krankheiten
pflügen
schleppnetze
vers
für vers in den grund des meeres
mollusken
sind bekannt
für
ihren sinn für schönheit
du
führst zwei leben
eines
für die träume
und
in einem anderen lernst du lesen und schreiben
denken
sprechen
durch
deine verse bist du mir nah
als
ob wir uns gegenübersitzen und miteinander sprechen
aus dem maulbeerbaum kommt eine stimme
dünne fäden aus einem anderen reich
alles wölbt sich auf
über die horizontlinie am ende des meeres
gedichte luftspiegelungen
in der schimmerung des nachmittags
der durst nach dichtung ist gestillt
den schlaf mohn bringe ich mit
vergiss nicht zu atmen
vergiss nicht
vergiss
die todeskraft des schreibens
Teheran, das heißt, mein Lächeln ist
Wunde.
(Pegah Ahmadi: Mir war nicht kalt.
Gedichte.
Aus dem Farsi
von Jutta Himmelreich. Bremen, 2011)
Der Himmel
will die Zeit vergessen haben,
da du sein Gast warst.
(SAID: Sei Nacht zu mir. Gedichte. 1998)
wenn die blätter
sich anfühlen wie liebesgedichte
beschreiten mit ihren gaukelflügen feuerfalter
die bewegungen des liebesspiels
flattern bläulinge
ins porzellanweiß des auges
legt der schmetterlingsmann
seinen trauermantel ab
steigen am östlichen himmel
aurorafalter auf
kann ich mich nicht sattessen an den feigen
nicht sattsehen an den tulpen
und mädchen
schmücken die gärten mit kräutern
Die Welt ist aufs Wasser gekippt und
zerflossen.
Ich streue Erde aus, um sie hinter
mir zu lassen.
(Pegah Ahmadi: Mir war nicht kalt.
Gedichte.
Aus dem Farsi von Jutta Himmelreich.
Bremen, 2011)
Jeder Ort ist zufällig –
Bis auf deinen mund,
der empfängt
und sich nach einer mündung
ohne splitter sehnt.
(SAID: Aussenhaut Binnenträume.
Gedichte. 2002)
nacheilen
den zerfließenden stimmen
wem würde es auffallen
wenn der dichter ein paar schritte vorausgegangen ist
und sein gedicht noch bei uns bleibt
in seiner sprache
die wir vernahmen
als er bei uns stand
kein wort kein komma
wird mehr geändert
denn das gedicht spricht weiter
und der dichter schon
mit anderer stimme
einer leiseren
geflüsterten
die auch am firmament die weißen vögel
über dem verlorenen land der kindheit vernehmen
Atme.
Wieder ist die Luft eine dünne
Übersetzung.
(Pegah Ahmadi: Wucht. Gedichte.
Aus dem Persischen übertragen
von Jutta Himmelreich. Bremen, 2018)