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Walther von der Vogelweide: 112, 17-34

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Walther von der Vogelweide
112,17-34
Prosaübersetzung von Hans Böhm

ir vil minneclîchen ougenblicke             
    rüerent mich alhie, swann ich si sihe,             
in mîn herze. owê sold ich si dicke             
    sehen, der ich mich für eigen gihe!             
eigenlîchen dien ich ir:             
    daz sol si vil wol gelouben mir.
I. Die liebreizenden Blicke ihrer Augen treffen mich, so oft ich sie sehe, ganz hier in mein Herz. O, könnte ich sie oft sehen, der ich mich zu eigen gebe! Wie ein Leibeigener diene ich ihr, das möge sie mir sicher glauben.
Ich trage inme herzen eine swære            
    von ir die ich lâzen niht enmac,            
bî der ich vil gerne tougen wære            
    beide naht und ouch den liehten tac.            
des enmac nû niht gesîn:            
    ez enwil diu liebe frowe mîn.
II. Ich trage im Herzen Kummer ihretwegen, die ich nicht aufgeben kann, bei der ich herzlich gern heimlich wäre, die Nacht wie auch den hellen Tag. Aber das kann nun einmal nicht sein; meine liebe Herrin will es nicht.
Sol ich mîner triuwe alsust engelten,            
    so ensol niemer man getrûwen ir.            
sie vertrüege michels baz ein schelten            
    danne ein loben, daz geloubent mir.            
wê war umbe tuot si daz,            
    der mîn herze treit vil kleinen haz?


III. Soll ich auf solche Art für meine Hingebung büßen, dann darf sich kein Mann mehr ihr hingeben. Aber sie ließe es sich weit lieber gefallen, getadelt als gepriesen zu werden, glaubt mir das. Ach, warum tut sie das, die ich so herzlich liebe?
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