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Walter Fabian Schmid: Die Lost Places zucken noch

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Markus Hallinger

Walter Fabian Schmid: Die Lost Places zucken noch. Gedichte. Herford (edition offenes feld – Books on Demand) 2022. 108 Seiten. 19,00 Euro.

Gedanken zu Walter Fabian Schmids „The Lost Places zucken noch“


Für uns Alle. So beginnt das Buch.
Zueignung. Widmung. Litanei.
Herrgott Sakrament.
Niederbayern bei Regen (!), das ist die Gegend, wo Walter Fabian Schmid herkommt: Ein Lost Place. Lange ein Armenhaus, wo das Graffl aus dem Fenster geschmissen wurde und man barfuß, bis zu den Knöcheln im Mist, im Stall stand. Grenzland, wie ein Kapitel im Buch heißt.

Ein haptisches Buch. Eines, in dem die Dinge und Begeben-heiten wie Spielkarten auf den Tisch gehauen werden, und einer sagt: schau her, so stehen die Dinge. Und die Dinge stehen nicht gut. Und einer erinnert sich:

Woanders machten Schafe die Arbeit,
bekamen Schläge für Milch,
die zu dünn war.

Diese Erinnerung  richtet sich auf eine Vergangenheit, die noch gar nicht so lange her ist, sammelt ein und stellt hin, ungeschönt. Ein Bestandsaufnahme, die die Vorboten des Desasters zeigt, das wir angerichtet haben. Thermen werden zu Abklingbecken, Felswände fallen um, Spechte zeichneten die Halbwertszeit von Insekten auf. Das alles fragmentiert, zerrissen, schmerzhaft.

Niederbayern bei Regen steht exemplarisch für das, was so oft in abgehängten Regionen passiert. Zerstörung, Verfall. Den Niedergang eines Lebensraums und einer Lebensart, die allerdings nie human und lieblich war, sondern immer schon hart und brutal. Da gibt es nichts, was schön zu sagen wäre, und so wendet sich der Text auch immer in untergründigen Zitaten gegen die Schönfärberei und Schönsagerei im gängigen Landgedicht.

Wenn die Motoren STILLSTEHEN,
zieht keiner mehr die Dörfer auf.
Aus Zirben weht eine Schnapsfahne.

Doch gibt es sie, im Kapitel Grenzland, die versöhnlicheren Texte, Passagen. Dort wo längere Wegstrecken in der Strophe zurückgelegt werden, schafft es die Sprache einen Raum zu öffnen, in dem kleine Dialoge kleine Geschichten abspielen. Die beackerte Sprache legt nochmal ein Feld frei, heißt es da. Und es stimmt. Wind, Winter, Landschaft, Leut, finden sich, treten in Beziehun-gen ein, die man misslungen nennen muss, aber Beziehungen sind:

…. / wo du lange daheim warst.


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