Valdimar Tómasson: Sechs Gedichte
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Valdimar Tómasson
Sechs Gedichte
Aus: blástjarna efans – heller stern des zweifels, JPV útgáfa, Reykjavík 2022
Aus dem Isländischen übertragen von Jón Thor Gíslason und Wolfgang Schiffer
WELT
Die
Brust ist immer
die
Heimat des Schmerzes.
Eine
Welt
flügelgebrochener Träume.
Eine
widerhallende Stille
in
den Felsen der Einsamkeit.
Du,
Land
meiner
leisen Strophen.
EINSAMKEIT
Du
Königin der Einsamkeit,
traumschattierte
Winternacht.
Mein
treuer Freund
ist
der Winterschnee.
Zum
Schluss sucht mich
das
junge Licht des Frühlings auf.
GNADE
Der
Tag endete
in
mystischer Dunkelheit.
Und
ein falschtönender Schmerz
schlief
für eine Weile.
ANGST
Die
Bosheit gebiert
die
Ängste der Welt.
Und
die Welt wird umhegt
von
den Umarmungen der Furcht.
WÜSTEN
Kein
Haus
schützt
mich vor Nichtigkeit
sondern
gibt ihr ein Zuhause.
Ich
bleibe ruhig
bei
Schmuck und Flitter
und
das Verlangen der Jugend
ist
zu einem angelaufenem Stück Silber geworden.
Am
Himmel blitzt
ein heller Stern des Zweifels
und
jeder Strahl des Monds
birgt
zuckenden Schmerz.
Das
Klagelied dröhnt
durch
totenstille Nacht.
UMARMUNGEN
Die
stille Straße
war
eine wahre Oase der Träume.
Ein
Weg
voll
strophensanfter Wörter.
Ein
Eingang
zu
trauerschweren Umarmungen.
Vorhänge
wiegten sich
im
Freudenrausch der Sommernacht
bei
Herbstwind
im
Frühlingshauch
und
Winterpfeifen.
Die
stille Straße
ist
grau und farblos nun.
Ein
schummriges Fenster.
Die
Straße wie zuvor!
Valdimar Tómasson, geb. 1971 in
Mýrdalur im Süden Islands, lebt seit seinem 16. Lebensjahr in Reykjavík. Seit seinem ersten Gedichtband Enn sefur vatnið / Noch schläft das Wasser
im Jahr 2007 folgten mehrere weitere Bände mit Lyrik, außer einem Band mit
Sonetten primär Kurztexte häufig alliterativen Stils. Seine letzte Buchpublikation: Ljóð 2007 – 2018 / Gedichte 2007–2018, Reykjavík 2018 und Veirufangar og veraldarharmur / Virusgefangene und
Weltenschmerz, Reykjavík 2020,
sowie blástjarna efans, Reykjavík 2022.