Vala Hauks: Schmerz verspüren
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Vala Hauks
Ljóðstafur Jóns úr Vör 2024 / Der Jón-úr-Vör-Poesiestab 2024
Aus dem Isländischen von Jón Thor Gíslason und Wolfgang Schiffer
Verk að finna
Hrífuskaftsflís
í hengibrúnni
milli bendifingurs og þumals.
Útsaumsnál
undir
baugfingursnögl.
Skeljasandur
í hælsæri.
Hrossafælir
sem skýst með þyt
undan þúfu
fall
að missa andan
sortna fyrir augum
í lyngi.
Sælan er skortur
á öllu nema tíma
til verkja.
Hamingjan
er sigg.
Schmerz verspüren
Ein
Rechenstielsplitter
in
der Hängebrücke zwischen Zeigefinger und Daumen.
Eine
Sticknadel
unter
dem Ringfingernagel.
Muschelsand
in
der Fersenwunde.
Ein
Pferdeschreck
der
mit Gesaus aus dem Grasbüschel schießt
ein
Sturz
den Atem verlieren
schwarz
vor Augen sehen
im
Heidekraut.
Glückseligkeit
ist Mangel
an
allem außer Zeit
für Schmerz.
Glück
ist
Hornhaut.
Am 21. Januar 2024 wurde die
isländische Autorin Vala Hauks für dieses Gedicht mit
dem Ljóðstafur Jóns úr Vör, dem Jón-úr-Vör-Poesiestab
ausgezeichnet.
Die Jury sagte zur Wahl ihres Gedichts zum Siegesgedicht u.a.: Das
Gedicht ist eine Meditation über Körper und Bewusstsein, Schmerz und Anstrengung
und die Spuren, die Lebenserfahrungen hinterlassen. Das ist ein Text,
der immer wieder gelesen werden kann und muss und dem Leser noch lange im Gedächtnis
haften bleibt.“
Das Übersetzer-Duo Gíslason/Schiffer
gratuliert der Autorin aufs Herzlichste und fühlt sich geehrt, hier mit ihrer
Zustimmung sowohl das Originalgedicht als auch seine Übertragung ins Deutsche
veröffentlichen zu können.
Die
Auszeichnung mit dem Ljóðstafur Jóns úr Vör / Der Jón-úr-Vör-Poesiestab ist
Ergebnis eines alljährlichen Lyrikwettbewerbs, der seit dem Jahr 2001 in Kópavogur,
der im Südwesten Islands gelegenen zweitgrößten Stadt des Landes, stattfindet, in
Erinnerung an den einst dort lebenden und wirkenden Dichter und ersten
Stadt-Bibliothekar Jón úr Vör.
Zu
dem ihm zu Ehren stattfindenden Wettbewerb kann ein jeder unter einem Pseudonym
ein Originalgedicht in isländischer Sprache einreichen. Nach einer Vorauswahl
durch eine Jury treten so erfahrene Dichterinnen und Dichter und jüngere,
unbekannte gleichberechtigt in einem Lesewettbewerb gegeneinander an. Der Preis
besteht aus einer Geldprämie, vor allem aber erhält die preisgekrönte
Dichterin, der preisgekrönte Dichter einen silberverzierten Spazierstock, der
Jón úr Vör gehörte, – zur Aufbewahrung für ein Jahr. Am Stab ist eine Plakette
mit dem Namen des jeweiligen Preisträgers, der jeweiligen Preisträgerin und dem
Jahr der Verleihung angebracht. Verliehen
wird die
Auszeichnung stets am 21. Januar im Rahmen einer Feier zum Geburtstag des
Dichters Jón úr Vör.
Geboren
wurde Jón úr Vör an diesem Datum 1917 in Patreksfjörður im Nordwesten Islands, er
arbeitete u. a. als Buchhändler, Redakteur und eben als Bibliothekar, vor allem
jedoch war er Lyriker und trug insbesondere mit seinem Gedichtband Þorpið / Das Dorf (1946) zu
einer Modernisierung der isländischen Poesie bei. Er starb am 4.
März 2000.
Vala Hauks, Trägerin des Preises Jón-úr-Vör-Poesiestab 2024, wurde 1992 in Húsavík geboren. Nach einem Kunststudium an
der Gesamtschule Süd-Islands schloss sie ein B.S.-Studium in Tourismus an der
Universität von Island und der Universität Limerick in Irland ab. Über ein Jahrzehnt
war sie im Tourismus tätig, absolviert derzeit jedoch einen Master-studiengang
in Schreiben an der Universität von Island.
Sie war eine
der Autoren des Gemeinschaftswerks Einangrun / Isolation, das
die Lakehouse Theatre Company 2021 beim Kunstfestival in Reykjavík aufführte. Ihre
Kurzgeschichte Rótgróinn Mótþrói / Verwurzelter Widerwille
erschien 2023 in der Weihnachtspublikation der Studentenvereinigung Blekfjelagið (Der Tintenverlag). Für Goðastein, eine Bezirks-schrift, schrieb sie den Beitrag Að
umræðum loknum var málinu frestað / Nach Diskus-sionen wurde die Sache vertagt. Vala Hauks strebt in naher Zukunft weitere Arbeiten
im Bereich Literatur an. Sie lebt in Selfoss in Südisland.