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Ursula Maria Wartmann: Gegen acht im Park

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Timo Brandt

Ursula Maria Wartmann: Gegen acht im Park. Gedichte. Dortmund (Edition Offenes Feld) 2020. 68 Seiten. 18,50 Euro.

Die Kata- und die Liebesstrophen


„Die Kraniche kraulen bedächtig durch
warmen Wind im Wolkenmeer wie
eh und je: In strikter Formation. In
der Tiefe des Atlantik stöhnt der Rochen
beim Verdauen einer Scherbe Tupperware.“
     
Ursula Maria Wartmanns Gedichtband „Gegen acht im Park“ ist in drei Abschnitte unterteilt. Im ersten Abschnitt geht es dann und wann etwas eskalativ, ja geradezu apokalyptisch zu, wobei die Bezüge von sehr greifbaren Ereignissen wie der Entschärfung einer Fliegerbombe und den Waldbränden in Australien bis zu allgemeineren Anbahnungen reichen – so werden etwa ein Dammbruch und ein Kraftwerksgau imaginiert; einige Gedichte konnte ich auch trotz Nachforschungen keinem konkreten Ereignis zuordnen, vielleicht wäre hier ein kleines Anmerkungsverzeichnis angebracht gewesen.

Manche der Katastrophen-Gedichte haben ein bestechendes Maß an Anschaulichkeit, allerdings gibt es auch ein-zwei Passagen, die ich etwas kritischer sehe. Teilweise, weil sie mir zu martialisch daherkommen, was die greifbare Furcht und/oder Betroffenheit, die die Gedichte heraufbeschwören, ins Ungreifbare entrückt, aber auch, weil ich manche Verquickungen nicht ganz nachvollziehen kann. So heißt es etwa in dem Australiengedicht:

„brennt ein Kontinent Australien
brennt hier oben auf den hellen Wolkenflügeln
klingt der Schrei der sterbenden Millionen wie
wehes Zittern von Geigensaiten ein Geruch
brennt sich zwischen die Buchdeckel die Geschichte wird
neu geschrieben. Bangemachen gilt.
Bald brennen wir auch drängt Rauch
durch Kamine.“

Dass die Waldbrände in Australien hier zu einem Wendepunkt der Geschichte stilisiert werden, ist das eine (sicher waren sie eine schreckliche Katastrophe, aber warum „die Geschichte“ nun neu geschrieben werden muss, leuchtet mir nicht ein), aber dass das Gedicht eine Verbindung zu Menschenverbren-nungen und also auch zur Shoa herstellt, erscheint mir zum einen etwas willkürlich, vor allem aber problematisch. Vielleicht missinterpretiere ich auch die Darstellung, aber auch wenn etwas anderes gemeint ist, drängt sich die andere Lesart dennoch auf (zumindest mir).
     Im zweiten Teil werden die Landschaften dann nicht mehr von Katastrophen heimgesucht, sondern sind meist eher friedlich, beschaulich und verschmelzen mitunter, als Erinnerungslandschaften, mit dem Innenleben des lyrischen Ichs. Oft werden Geschichten erzählt, von denen wir als Leser*innen anscheinend nur die eine Hälfte, nur einen Ausschnitt erfahren und denen deshalb etwas Geheimnis-volles innewohnt. Immer wieder sind die Texte auch, hier und da, mit einer freundlich bis ironischen Komik gewürzt, in der aber wiederum eine gewisse Tragik aufscheint.

„Im Großen Haus stimmen
die Töchter die Geigen
dunkeln Celli und Bratschen
nach. Im Park rascheln Marder
durch Unterholz. Zur frühen
Stunde legen in ihren Betten
Männer feuchten Samen ab
mit dem ersten Strahl der Sonne
erschlaffen am Mast die Fahnen.“
              
Im dritten Teil werden die eher verstreuten Schwenke der Zärtlichkeit aus dem zweiten Teil etwas mehr zusammengeballt und es geht vor allem um Liebesbeziehungen (oder um eine, anhand verschiedenster Momente beleuchtet/erzählt). Die Leichtigkeit der Gedichte aus dem zweiten Teil wird fortgesetzt, bekommt aber etwas Drängendes, mitunter auch etwas reduktives.

In diesen Liebesstrophen finden sich einige wunderbare Formulierungen wie etwa:

„mein Herz tut schwere
Schritte mitten durch
mich hindurch“
   
Auch ansonsten sind die Gedichte dieses dritten Teils, in meinen Augen, die elaboriertesten, wobei ihre klaren Fixpunkte ihnen ein bisschen das Andeutungsvolle nehmen, das die Gedichte aus den ersten zwei Teilen ausmacht.

Ich mag Gedichtbände, die eine Vielzahl an Themen und auch an Stilelementen vereinen – „Gegen acht im Park“ habe ich daher mit Gewinn gelesen. Vom märchenhaft-verrätselten bis hin zum engagiert-kritischen Gedicht sind hier viele Spielarten und Tonlagen vorhanden.

„Die Zeit reißt den Rachen auf
schluckt Sterne Wellen stellen
das Funkeln ein nichts schwappt mehr“


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