Urs Böke, Stefan Heuer: Ein Fausthieb auf die Flipper-Schnute
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Hartwig Mauritz
Urs Böke, Stefan Heuer: Ein Fausthieb auf die
Flipper-Schnute. Essen (Ratriot-Medien) 2025.
26 Seiten. Euro 5,00.
Bestellungen per Mail: ratriotessen@hotmail.com
das zusammengestoppelte besteck aus kneipen und flugzeugen
[Anmerkungen zum gemeinsamen Prosaband
von Urs Böke, Stefan Heuer „Ein Fausthieb auf die Flipper-Schnute“]
Der Titel des Bandes „Ein
Fausthieb auf die Flipper-Schnute“ von Urs Böke und Stefan Heuer ist genauso
sinnfrei wie sein Inhalt. Was die Autoren als Prosaband ankündigen, erweist
sich beim Lesen als fulminante Lyrikproduktion mit durchgängig gelungenen Sprachspielen.
Der Leser muss nicht begreifen,
was die Senioren in der Fußgängerzone suchen. Sie müssen auch in den weiteren
Texten nicht wieder auftauchen, das stört den Lesegenuss nicht. Warum die
Fanta-Flaschen geriffelt sind, kann dem Leser auch egal sein, die Bilder sind
gekonnt gesetzt, „das Glück zum Greifen entfernt.“ Der Leser muss sich auch
nicht über die folgenden Zeilen in ZWEI2 wundern, „mit einer kuhle im
hinterkopf zu leben, in die es/ hineinschneit, Anfang
Januar, in der sich bei/ regen wasser sammelt wie
kein Grünschnitt/ im Fangkorb.“ So reihen sich die erfrischenden poetischen Bilder aneinander, als
spielten die beiden Autoren ein schnelles lyrisches Pingpong.
Der neue Gemeinschaftsband von
Urs Böke und Stefan Heuer, der als Prosaband vorgestellt wird, sprengt die
Grenzen des Genres. Beim Lesen stellt sich die Frage, was ist noch Prosa und
was schon Gedicht? Die Texte der beiden Autoren sind voller lyrischer
Bilder. Stefan Heuer gibt in schwarzer Schrift den Takt vor, Urs Böke ergänzt
in Rot. Stefan Heuer bleibt in seinem Text bei konsequenter Kleinschreibung,
Urs Böke schreibt die Satzanfänge und Substantive groß. Die Seiten tragen keine
Nummerierung. Die Überschriften haben die Titel EINS1 bis VIERZEHN14. Der Band
enthält sieben Collagen von Stefan Heuer. Anders als im
Gemeinschaftsgedichtband der beiden, „Asche in den Wunden“, schließt Urs Böke keinen vollständigen Text an Stefan Heuers Vorlage an,
sondern ergänzt freie Textstellen, die rot gekennzeichnet sind. Auf diese Weise
sind die Sätze und Satzteile der beiden Autoren miteinander verwoben.

Es gibt Spatzennester, Forellen
und einen Feldstecher, die sich durch die Texte ziehen. Urs Böke lässt einen
Dr. Mansarde agieren. Die Zeilen von Urs Böke rutschen manchmal unter die
Gürtellinie. Stefan Heuer bleibt bildstark. FÜNF5 „noch/ immer der stolz auf
die krone, aber auch im/ verunreinigten
königreich wird heißer tee kalt,/ fallen die möwen sterbend vom himmel,“ Urs
Böke pariert die Vorlagen von Stefan Heuer gekonnt: „Und
wenn du viel Meinung hast, brauchst du heutzutage keine Ahnung mehr.“
Urs Böke und Stefan Heuer lassen
ihren Assoziationen freien Lauf. Der Leser lässt sich von den Gedankensprüngen
der beiden Autoren mitreißen und überraschen. In ACHT8 werden Hitchcocks Film
„Fenster zum Hof“ und Theodor Fontanes Schimmelreiter zitiert. „das fenster zum
hof mit schwarzer folie verklebt, … Ein nasser Lappen
im Ausguss. Auch ohne Reiter voller Schimmel, Hauke.
Da ist kein roter Faden, der die
vierzehn Texte durchzieht. Es gibt einen Feldstecher, mit dem in EINS1 die
Tauben beobachtet werden. In ZWEI2 sind wir bei „heinz sielmann, der unter
einem tarnnetz sitzt und eine kolonie blaufuß-tölpel beobachtet, ohne Fernglas“. „in der wohnung mit der kleinen stickigen kammer unter der treppe“ taucht Dr. Mansarde
auf, der uns durch DREI3 und FÜNF5 begleitet.
Der letzte Text VIERZEHN14 bezieht sich wieder auf EINS1
und thematisiert die Senioren in der Fußgängerzone und die NORDSEEfiliale.
Wie bei Gemeinschaftsgedichtbänden von Stefan Heuer und Urs Böke sollte man sich vom Nonsense
der aneinandergereihten Geistesblitze begeistern lassen. So möchte ich meine
Anmerkungen mit dem folgenden Zitat aus SECHS6 beenden: „der teufel schläft
nie, aber gott muss man/ wecken .. Der Teufel hat den
Schnaps gemacht. Aber Gott ist schon lange abstinent“
ELF11der förster patroulliert, sein hund in hab acht. seine frau nutzt die zeit für hausbesuche, das frische wild als willkommener nebeneffekt. und auch im bett immer öfter das gefühl, aufgebrochen zu werden. nur der zweig im maul wäre ihm zu viel. Schrot in den Kadavern, Schrot schon bald in Kind und Kegel. Auf dem Friedhof das who-is-who der Familientragödie.im briefkasten eine postkarte aus funchal. darauf frauen mit blühenden hüten, lachende kinder. Klappst die die Karte auf, ertönt schon der Fado. der ganze mai im zeichen der schönheit und des wohlgeruchs und des Saudade. nach der großen parade einen poncha, auf die alten zeiten. ein letzter gruß vor dem rückflug, noch schnell eine grüne Wandkachel in den Koffer gestopft, ein letztes Souvenir, dann bläst er selbst zum halali.