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Urs Böke, Stefan Heuer, Fabian Lenthe: Vielleicht ein paar Raben

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Hartwig Mauritz

Urs Böke, Stefan Heuer, Fabian Lenthe: Vielleicht ein paar Raben – Gedicht-Trialog. Schönebeck (Moloko Print) 2023. 116 Seiten. 15,00 Euro. ISBN 978-3-948750-53-4

Keine lachenden Affen im Kopf
Anmerkungen zum gemeinsamen Gedichtband "Vielleicht ein paar Raben" von Urs Böke, Stefan Heuer und Fabian Lenthe


Der neue Gedichtband von Urs Böke, Stefan Heuer und Fabian Lenthe ist als Poème Collectif konzipiert und enthält drei farbige Collagen von Stefan Heuer und drei in schwarzweiß gehaltene Collagen von Urs Böke. Die Grafik auf dem Cover stammt ebenfalls von Stefan Heuer. Dadurch erhält der Gedichtband einen ansprechenden optischen Eindruck.

In diesem Band spielen sich die drei Autoren die Bälle zu. Das jeweilige Gedichtende bildet den Gedichtanfang des nächsten Gedichts, so dass die Sammlung von keinem einheitlichen Thema bestimmt wird. Die Gedichte sind ohne Ausnahme titellos. Ein gemeinsames Motto der Texte könnte Fabian Lenthe formuliert haben. Auf S. 26 heißt es bei ihm „Und solange die Welt brennt werfe ich Gedichte ins Feuer“. In diesem Zusammenspiel der drei Autoren entfalten sich die stilistischen Konturen der Dichter. Dabei entstehen Bilder von kaum zu überbietender Drastik. So schreibt Fabian Lenthe auf S. 29 „Sie schnitten ihnen die Hände ab/ damit sie das Erlebte loslassen können.“ Urs Böke antwortet ihm darauf „Damit sie das Erlebte loslassen können/ radieren wir ihre Erinnerungen aus/ für jede Tinte halten wir Löschpapier bereit“. Drastische Darstellungen traumatischer Erlebnisse finden sich insbesondere in den Collagen von Urs Böke.

Das Buch kann tatsächlich als ein großes Gedicht gesehen werden, das drei sehr verschiedene poetische Stimmen entwor-fen haben. Dabei gibt es Übergänge von Gedicht zu Gedicht, die wieder einen eigenen Text bilden könnten. So schreibt Stefan Heuer auf S. 44, „deine jugend setzt uns/ unter druck, drängt enthaart und geglättet und fern// jeder vernunft über die schiefe ebene. die augen/ rollen unter den lidern, treiben uns in die träume./ und klar, nur die intelligentesten tiere werden arzt.“ Darauf antwortet Fabian Lenthe: „Und klar nur die intelli-gentesten Tiere werden Arzt/ Doch in meinem Fall gibt es keine Chance auf Hoffnung/ Der Wahnsinn befindet sich bereits im Endstadium“. Urs Böke schließt sein Gedicht auf S.70 „Und stelle eine Staffelei/ ins Schlachtfeld ohne Pflug“. Darauf antwortet Stefan Heuer „ins schlachtfeld ohne pflug und christentum, so/ als gelte es den schmerz zu vergessen und den/ acker zu bestellen, mit nichts als blut und ähre.“

Sehr unterschiedlich sind die poetischen Ansätze der Autoren. Urs Böke ist seit 1995 Herausgeber der Underground-Zeitschrift "Ratriot". Er kommt vom Social Beat und ist ein Freund teils sehr deftiger Formulierungen. Seine Texte enthalten Groß- und Kleinschreibung, aber keine Inter-punktion. Drastische Bilder kommen auch von Fabian Lenthe, dem jüngsten des Autorentrios. Auch er verwendet Groß- und Kleinschreibung und verzichtet ebenfalls in seinen Gedichten auf Interpunktion. Stefan Heuers Texte erkennt der geübte Leser sofort. Die konsequente Klein-schreibung wird von Interpunktion durchsetzt. Er verwendet Sprichworte und wörtliche Rede, die er kursiv in seine Gedichte montiert, die stets in vier Strophen zu je drei Versen gestaltet sind.

Nicht alle Verse der Autoren überzeugen, doch in ihrem Zusammenspiel werden die Bilder in einen anderen, neuen Blickwinkel gerückt. Und es ist immer wieder Stefan Heuer, der mit seinen Texten begeistert: S.41 „mein körper, sagst du// ist eine schlecht geölte maschine, die schmetterlinge/ begeben sich zur nacht, trotzen dem virus & uns./ und frei nach lamarck wachsen uns goldene flügel.“ So möchte ich von Böke folgende Verse an das Ende dieser Anmerkungen stellen: „Affen sterben heutzutage medienwirksam/ sie verbrennen sie sterben lichterloh“. (S. 54)

und der fünfte lkw dich frontal erfasst, die sirenen
und die nacht / der schatten auf dem rasen ist dir
fremd, die gerätschaft zum vertikutieren geliehen.

pilze und moos haben sich über winter verbündet.
du kommst raus und redest, ich muss nur zuhören,
aber selbst das ist zu viel. die geknickten halme,

die sich erst nachts wieder aufrichten // die leichen,
die wir zum waschen und herrichten in den keller
fuhren, trinkgeld und geschmolzenes eis; wie lange

das her ist, weiß nur der kalender. der splitter im
daumen wandert langsam aber sicher zum herzen.
die elster über den gräbern gänzlich ohne belang.

heuer


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