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Tom Bresemann: arbeiten und wohnen im denkmal

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Jan Kuhlbrodt

Denkmal Realität



In seinem neuen Band arbeiten und wohnen im denkmal wird Bresemann zum Archäologen. Das Denkmal ist kein hier besonderer Ort, an dem man sich begibt mit Schreibstift und Block und vielleicht auch mit einem Schlafsack, um ein paar Tage in einem steinernen Koloss zu verbringen, der anlässlich eines historischen Ereignisses errichtet wurde, wie das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig, sondern das Denkmal ist, zumindest bei Bresemann: das, was uns umgibt, und vor allem die Sprache. Wir wohnen also ohnehin in einem, sind umlagert von Sediment.
Bresemann schickt sich nun an, die Sprachschichten in ihrer Besonderheit, aber auch in ihrer Korrespondenz sichtbar zu machen.

Mir nach der erste Text des Bandes formuliert also eine Einladung, den Archäologen Bresemann zu begleiten, vor allem aber formuliert sie das Credo all der Helden, die die ideologischen Diskurse bestimmten, beziehungsweise von bestimmenden Institutionen zu Anführen erhoben wurden. Jesus fungiert hier als Prototyp und archaisches Muster. Die letzte Strophe dieses Auftaktgedichtes beginnt mit folgenden Versen:

ich las, nichts schöneres als einen helden angehören,
bereinigt von sich selbst und tiefer


Natürlich sind die lebensbegleitenden Ideologismen von der je konkreten Herkunft des Wandernden bestimmt. Das Welt-museum hat verschiedenste Kammern.


Bresemanns Herkunftskammer hieß DDR, ein Nebenraum gewissermaßen der großen Kammer D. Entsprechend also vermischen sich bei ihm die Stränge auf besondere, man könnte sagen, Ostberliner Art. Ein spezifischer Protestantismus trifft auf den Sozialismus und wird dann mit der Rede vom Sozialstaat überpinselt.


Bresemann kompiliert Versatzstücke. Und in den besten Texten des Bandes gelingt ihm das in der Souveränität eines DJs. Natürlich eines schnoddrigen Berliner DJs, der den Sound, der ihn auch aktuell umspielt, aufnimmt und in die Compilation einfügt.

punktlandung im sinusmilieu

kreative schauprozesse dergleichen,
was man halt macht

im nebenleben, wenn schon was mit medien
dann in kreuzberg, wenn schon


...

So beginnt ein Text, der die Musealität der Gegenwart aufweist, ihre sprachliche Verkrustung, und darauf insistiert, dass Ideologie auch ohne vordergründige Ideologeme auskommt.

Am Ende des Bandes begibt sich Bresemann noch einmal tief in die Brutstätte sprachlicher Verhärtung und gibt unkommentiert, aber in Verse gebrochen, eigene Schulhefte wieder.


die große Schrift,
die kleine Schrift,
die schöne Schrift
die saubere Schrift


ist dieses lange Gedicht überschrieben, das wie eine Palmeninsel M. Claudius‘ Ein Lied vom Reifen enthält.*

Sichtbar hier das Programm des Denkmals, das wir Realität nennen, bis in den letzten Zweig.
Vielleicht ist es das Problem des Bandes, dass es in der Darstellung verharrt, im momentanen Stand, und sich auf die Eindringlichkeit der Exponate verlässt. Ich jedenfalls verlasse die Sammlung mit einem Bedürfnis nach Aufklärung. Dieses Programm aber wäre Gegenstand weiterer Analyse und einer Museumsdidaktik, die im Gedicht keinen Platz hätte. Wir dürfen also gespannt sein, was da bei Bresemann noch kommt.


* Vgl. die Komposition von Paul Dessau: Das Lied vom Reif ...


Tom Bresemann: arbeiten und wohnen im denkmal. Gedichte. Cover-Illustration von Simone Kornappel. Wiesbaden (luxbooks) 2014/15.  86 S. 19,80 Euro.

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