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Tobias Roth: Kirchspiele - Sirmione, Santa Maria Maggiore

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Die breiten Rücken der Joche voll mit dem bunten Spiel der Rechtecke, jedes Täfelchen ein Grenzstein zwischen dem Lärm (Lärm, der das Dorf verstopft, soweit die Burg der Scaliger es einhegt, Lärm, der mit Dezibel nichts zu tun hat, der dir vor den Schritten herumsteht, der dumme Augen hat, aber jedes Recht auf seiner Seite, Lärm, unter dessen Belastung samstags und sonntags schon mittags die Zufahrtsstraße zwecks Überfüllung gesperrt wird, weit vor dem Ort, am Ansatz der Halbinsel, die den südlichen Gardasee zweiteilt, Lärm, dessen Aufwallen und Verfliegen auf kürzeste Distanz die bekanntesten und die unbekanntesten Plätze voneinander trennt wie späte und frühe Mozartopern) und der Stille im Windschatten des Lärms auf kürzeste Distanz; ab hier beginnt der Wind den Staub Catulls aufzunehmen. Das Vokabular der Festungsbauer verfliegt langsam. Die hübsche Maria im Hochaltar ein Mädchen wie aus Petrarcas Worten gezogen, keine Frau, ihr Verständnis ist groß und traurig, ist groß und irgendwann gleichgültig: Die Säulen am Eingang, späte Ergänzungen, tragen eine Inschrift Julian Apostatas, des großen Heiden und Sonnenanbeters; ein Kontrapost, den man sich mit den Spolien eingefangen hat. Aber das wird unter dem weißen Gesicht großzügig eingemeindet; so großzügig müsste man sein. Gegenüber dem Touristen, der vorbeigeht, dem Touristen, der pflichtbewusst hereinblickt (wie er pflichtbewusst schlechten Mozart hört in Salzburg).


(Sirmione, Santa Maria Maggiore)

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