Tobias Roth: Eine Groteske von Sabbioneta
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Tobias Roth
Eine Groteske von Sabbioneta
Sind Portale, denen es
Einen Haustürschlüssel gibt,
Wie bei andren Häusern auch.
Das Spalier ist von Efeu überwachsen
In einer der Voluten des goldenen
Gebälks sitzt eine Gambenspielerin im
Roten Kleid unter ihr und dem feisten Dach
Segelt Daidalos Efeuranken halten
Seine Flügel er versucht der Gambistin
Unter den Rock zu sehen schroff verdreht fällt
Unter ihm Ikarus fetzende Federn
Wie Laub in ein Stück baulich eingefasstes
Meer handbreit über dem ein Adler auf dem
Wappen der Gonzaga sitzt in deren Land-
Strich nebenan steigt ein Pferd auf einem Rad
Efeugirlanden rote Voluten auf
Weiß Jagdszenen Wappen fickende Faune,
Und mein Verstehen ist löchrig und schön
Wie Vierungskuppel und Absiden der
Chiesa di Sant’Antonio Abate di Villa Pasquali dei Bibiena
Wie Sabbioneta; groß für mich ist
Ein Stadtstaat mit in etwa Viertausendzweihundert Einwohnern Stand 2018
Ist wie das Gespräch zwischen dir und mir
Im Abend golden und mythologisch
Gefasst Efeu hängt auf feuchtem Mörtel.
Ich kann es sehen, rauschen durch das Korn.
(aus Tobias Roth: Grabungsplan. Gedichte. Mit Illustrationen von Ibou Gueye.
Verlagshaus Berlin, 184 S., 15,90 Euro)