Thomas Morus: Einstellung der Utopier zu Geld und Geldeswert
Poetik / Philosophie > Glossen


Thomas Morus
Einstellung der Utopier zu Geld und Geldeswert
(in: Utopia, III, 13)
Sie bedienen
sich nämlich unter sich keines Geldes, das sie vielmehr für solche Fälle
aufheben, wo es ihnen von Nutzen werden kann, wenn es auch möglich ist, dass
solche niemals eintreten.
Mit dem Gold
und Silber, woraus Geld hergestellt wird, hat es bei ihnen nämlich diese
Bewandtnis, dass es kein Mensch höher schätzt, als ihm seinem natürlichen Werte
nach zukommt, und wer würde da nicht einsehen, dass diese beiden Metalle weit
unter dem Eisen stehen? Denn ohne dieses können die Menschen doch wahrhaftig
ebensowenig leben, wie ohne Feuer und Wasser, während die Natur dem Gold und
Silber keinen Gebrauch verliehen hat, dessen wir nicht leicht entraten könnten,
und es nur die Torheit der Menschen ist, die der Seltenheit einen so hohen Wert
beigelegt hat. Und als eine höchst liebevolle Mutter hat die Natur die
nützlichsten Dinge uns ohne alle Schwierigkeiten zugänglich gemacht, wie Luft,
Wasser und die Erde selbst, die nichtigen, eitlen, unnützen aber weit entrückt.
Wenn nun
diese Metalle bei ihnen irgendwo in einen Turm verschlossen würden, so könnte
der Fürst sowohl als der Senat in den Verdacht kommen (wie das Volk
dummpfiffger Weise denkt), als ob sie das Volk hinterlistig betrügen und für
sich selbst Vorteil daraus ziehen wollten.
Sie sehen
ferner sehr wohl ein, dass, wenn sie daraus Schalen oder andere Gegenstände der
Schmiedekunst verfertigen wollten, und diese dann bei vorkommender Gelegenheit
wieder einschmelzen müßten, um den Soldaten den Sold auszuzahlen, die Leute
sich nur sehr ungern von Dingen trennen würden, an denen sie erst einmal
Wohlgefallen zu empfinden angefangen hätten.
Um allen
diesem zu begegnen, haben sie ein Mittel erdacht, das zwar mit ihren übrigen
Einrichtungen sehr wohl übereinstimmt, aber mit den unsrigen ganz und gar
unvereinbar wäre, da bei uns das Gold so hoch gehalten und so sorgsam bewahrt
wird, eine Maßregel, die daher nur jenen glaublich erscheint, die sich aus der
Erfahrung von ihrem wirklichen Bestehen überzeugt haben.
Denn da sie
aus zwar sehr zierlichen, aber billigen tönernen und irdenen Gefäßen essen und
trinken, so verfertigen sie aus Gold und Silber Nachtgeschirre und andere zu
niedrigstem Gebrauche bestimmte Gefäße für die gemeinschaftlichen Hallen sowohl
als für Privathäuser. Überdies werden Ketten und dicke Fesseln für die Sklaven
aus diesen Metallen gefertigt. Endlich werden allen Denen, die durch ein
Verbrechen ehrlos geworden sind, goldene Ringe in die Ohren gehenkt, goldene
Fingerringe angesteckt, eine goldene Kette um den Hals getan und um den Kopf
wird ihnen eine goldene Schnur gebunden.
So sorgen
sie auf alle Weise dafür, dass Gold und Silber bei ihnen eine schimpfliche
Rolle spielen, und so kommt es, dass diese Metalle, die sich andere Völker nur
unter Schmerzen, als ob es ihre eigenen Eingeweide wären, entreissen lassen,
für nichts geachtet werden und, wenn die Utopier einmal alles Gold und Silber,
das im Lande ist, hergeben müßten, kein einziger erachten würde, er habe
deswegen auch nur einen Heller verloren.
Überdies
sammeln sie Perlen am Meeresufer und Diamanten und Granaten in gewissen Felsen,
ohne sie eigentlich zu suchen, aber die ihnen zufällig sich darbietenden
schleifen sie. Damit schmücken sie ihre kleinen Kinder, die zwar in den ersten
Jahren der Kindheit sich damit brüsten und sehr stolz darauf sind, im etwas
vorgerückteren Alter jedoch sie freiwillig, ohne dass es einer Mahnung seitens
der Eltern bedürfte, ablegen, so bald sie sehen, dass derlei Kindertand eben
nur die Knaben benutzen, dessen sie sich alsbald von selbst schämen. Gerade so
werfen unsere Knaben, sobald sie heranwachsen, ihre Nüsse, Knöpfe und Puppen
von sich.