Thomas Ballhausen: mein Blick bestätigt es mir
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Foto: Chris Saupper
Thomas Ballhausen
mein Blick bestätigt es mir
ich nehme mir heraus zu sagen: Perspektive
keinen Trost mehr finden können
auch nicht mehr durch die Einbrüche in
die Träume anderer Leute
meine rechte Hand hat sich verformt
sie ähnelt nun eher einer Kralle
noch kann ich sie benutzen
der Kampf, der die Hauptstadt erreicht
Luftschiffe ziehen dahin, eine verfluchte Jahreszeit
zu viel verlangen und diese Geister schulden mir nichts
die Unmöglichkeit, nochmals neu anzusetzen
my heart is beating in a different way
Fragen nicht stellen, die unschönen Antworten schon kennen
mein eigenes Spiel verlieren
bin ein Überbleibsel, Relikt anderer Tage
neu sortierte Hoffnungen
draußen findet eine Übernahme statt, Invasion
was tot aus den Himmeln fällt
Flugzeuge, Vögel, Satelliten
schreckliches, fröhliches Treiben, awful but cheerful
ein feuchtes, bitteres Wissen
die Nachrichten kommen kaum hinterher
das Verlieren lernen, sich antrainieren: einzubüßen
als wären Menschen dafür gemacht: uns verloren zu gehen
schlägt die Nacht eine andere Richtung ein
in Phosphor getauchte
entwendete Sätze, umformuliert
und Gefühle, für die es eigentlich Experten bräuchte
Selbstgespräche, mir eine Biografie erfinden, dann noch eine
die Wahrheit des Hungers bleibt ungestillt
und glückliche Tage haben: immer
vielleicht etwas wie ein Fluch
ein lebendes Sterben, hin
die Zeit wird knapp
I do dream you
und ich kann vom Fenster aus
nachts ein Mädchen auf einem Fahrrad sehen
was mir ihr Blick verheißt
auf Dich habe ich seit Ewigkeiten gewartet
vom Irrtum, jemanden besitzen zu wollen
sich uneinnehmbar machen
sich wertlos machen, hier gibt es nichts zu holen für Dich
Hass, der in Deinen Blicken schlecht verborgen ist
an der Schwelle, alles steht Dir offen, noch
see you on both sides of a door
lächelnd, weil Du schlau bist
nicht weil Du glücklich bist
sprichst in Rätseln zu mir, Beleidigungen
ich vermag das Brennen der Sterne nicht zu hören
In Thomas Ballhausen: Transient. Lyric Essay. Mit Zeichnungen von Elena Peytchinska [=Reihe vers libre, Band 4]. Wien: Edition Melos, 2020. ISBN: 9783951984230. 72 Seiten. 22,- Euro.