Tanja Wagner: Die Spinne / Der Rattenkönig
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Tanja Wagner
Die Spinne / Der Rattenkönig
Die Spinne
Ich weiß nicht, was es bedeuten soll.
Ich stand am letzten Friedhofstor
Und sah dort eine Spinne gehn.
Ich stand an Vaters Grabes Kranz,
Ich stand in Schwarz, ich stand allein.
Ich weiß nicht, was es bedeuten soll,
Denn als ich grad zum Tore ging
Bemerkt ich einen Rosenstock
Und sah dort eine Spinne gehn.
Sie wandte grüßend sich zu mir
Und ich floh panisch von ihr weg.
Ich weiß nicht, was es bedeuten soll.
Ich streifte ihren Faden an
Und merkt es erst, als ich ihn brach
Und sah dort eine Spinne gehn.
Am dritten Tag bevor er starb
War an der Tür vorm Glas ein Netz.
Ich weiß nicht, was es bedeuten soll,
Ich sah dort eine Spinne gehn.
Der Rattenkönig
Ratten, Ratten, tanzen leise
Um geteilter Mitte Kern,
Drehen sich im Folterkreise
Wie ein schwarzer Rattenstern.
Ratten kriechen, Ratten beißen,
Ratten ziehen, Ratten schreien,
Wilde Schlangen, fest verzottelt,
Hundert Würmer, starr wie Knochen,
Würmer Gottes, dutzend Arme
Und an jedem End 'ne Ratte.
Ratten, Ratten, tanzet fröhlich,
Ich bin hier der Rattenkönig!
Ratten, Ratten, fest verbunden
Brüten heimlich ihre Pest,
Wollten sie auch aus der Runde
Hält sie unser Knoten fest.
Ob sie lebend oder Tote,
Flöhe springen klein auf Klein,
Flöhe springen in die Höhe,
Brechen Kontinente ein.
Kommt kein Fressen mehr zum Haufen
Darf man's Blut vom Nachbarn saufen.
Ratten, Ratten, tanzet fröhlich,
Alles dreht sich um den König!