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Tania Rupel Tera: Wozu?

Werkstatt/Reihen > Reihen > Frühling
Tania Rupel Tera

Wozu?


*
ich wollte es nicht … wozu?
welche wahre Schönheit
welche echte Botschaft
kann uns erreichen?
die Stille ist ja nie da

und ich schwirre so oft
am Fenster vorbei
um den Baum zu hören
seine schwebende Krone
voller aufregendes Ankommen
die Musik aus seinem Kosmos
so oft ... wie unmöglich
um die Himmelsrichtungen zu prüfen
stets über das gleiche Stück Straße

jemand hat einmal geschrieben:
„Touristen sind arme Seelen“
wie recht er hat! wozu?
ständiges Galoppieren
im Hof der Ermüdung
Bilder rasen vorbei
das trügerische „anderswo sein“
und doch immer
in der anhaltenden Flüchtigkeit

aber du versprachst mir heilig
dieser Trip wird ein Haiku sein
sanft, beseelt
in der Eile
habe ich dir geglaubt


**
die Ruinen nahmen sich Zeit
von ihrem Überfluss
sie wussten
wie auf uns wirken sollten

uralte Felsbrocken
stumm im Sonnenlicht
friedliche März Brise
das Meer übertönte
jede fremde Sendung
ohne Mühe

wir haben keine kluge
Telefone mitgenommen
einzig die altmodische
Erholungs Hoffnung

ich las kein Schild
erforschte keine Geschichte
ich übersah alles
nur das Blaue nicht, das ewig Grüne
und die eingefrorenen Wellen im Gestein
das so würdevoll schweigen kann


***
trotzdem grub ein Loch im Kopf
gleich sein Paradoxon
es buddelte unaufhörlich
bis irgendwann am Horizont
ein Bunker klaffte

es hallte unter den Pinien
die Rufe der jetzigen Vögel
samt den Schreien
der Menschen von damals

plötzlich schraubte eine Maschine
etwas am Himmel
zu uns fielen Scherben von Infotafeln
über militärische Verstecke
einige Tote von einst
einige von den aktuellen Nachrichten

und du dachtest
hier finde ich Inspiration
es sei so ruhig, so schön!

unwissend-selig wollte ich sein
einzig auf dem Weg von einem Poeten
vielleicht mit ein paar Versen von ihm
auf einem Stein ...

aber der Krieg holte uns ein
allgegenwärtig kroch er
unter die hauchdünne Haut des Frühlings
unbeeindruckt laut in der schüchternen Stunde
dröhnte er wieder im Dickicht
gegen jegliche Dichtung
am Rand der elegischen Klippe


****
und doch
ein Vogel besang
die dornigen Äste, den Äther über sich
es war keine Propaganda
das Schöne mit Narben übersät
schlug weiter wie auf versteinertem Zweifel
mit einem dunklen Enthusiasmus
zaghafte Blüten bekannten sich zu ihren Farben
die Sonne exaltierte sich noch mehr
das Meer pochte in Flammen

wir sahen das alles und
ich vergaß mein „wozu“
während mich ein sorgfältiger Strahl
am offenen Herzen flickte
vor deinen zurückgekehrten Blicken
unter der Vollnarkose des Lebens


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