Direkt zum Seiteninhalt

Suleman Taufiq: Was weißt du von mir

Rezensionen/Lesetipp > Rezensionen, Besprechungen



Timo Brandt

Sehnsuchtsfetzen und dünner Rausch



„liebe
ist ein meer
im schweigen versunken
ein kuss
rettet die welt“


Die letzten Liebesgedichte, die ich gelesen habe, stammten von dem tuwinisch-deutschen Dichter Galsan Tschinag, und es gibt ein paar Gemeinsamkeiten zwischen seiner Liebeslyrik und den Liebesgedichten von Suleman Taufiq, einem syrisch-deutschen Schriftsteller (lebt seit 1971 in der Bundesrepublik), der die vorliegenden Gedichte auf Deutsch geschrieben und für den Band auch noch zusätzlich ins Arabische übersetzt hat (und er hat sich laut seiner Vita auch sonst als Übersetzer, aus dem Deutschen ins Arabische – und umgekehrt – sehr verdient gemacht).

Diese Gemeinsamkeiten zeigen sich vor allem in dem anrufenden Stil der Gedichte – darin stets die Beschwörung eines bestimmten Glücks-, Zerrissenheits- oder Sehnsuchtsmoments, der eine eigene Mythologie des Ausdrucks und des Sakralen beinhaltet. Doch ist diese Beschwörung bei Taufiq (im Gegensatz zu Tschinag, wo der Ansatz oft wechselt) selten abgehoben, beginnt sogar oft mit einem einfachen Bild, bewegt sich in einer gesetzten Sprache.


„du lagst auf dem bett
nackt
die sonnenstrahlen fielen auf deinen körper
er hat den geruch der nacht“


So entsteht eine sinnliche Emphase, die einfach und eindringlich, aber nicht heischend ist; die sich den Lesenden halb zuwendet, halb abgewandt von ihnen spricht, mehr Schatten als Licht.

„Was weißt du von mir“, das ist natürlich eine der zentralen Fragen der Liebe. Denn selbst wenn man zu wissen glaubt, dass man jemanden liebt, kann man doch nie sicher sein, wen man da eigentlich liebt. Der andere Mensch: ein Wunder, aber auch ein Mysterium. Ein Geschenk, aber auch eine Unbe-rechenbarkeit. Kann man sich ergründen, und reicht Liebe dazu aus?


„wir sagen nichts
wir sagen nicht was wir wollen
du weißt was ich will
ich weiß was du willst
ich beginne noch einmal
erzähle mir
was soll ich erzählen
was willst du hören“


Ein häufiges Motiv bei Taufiq ist das Gespräch oder der Monolog. Sprechend entsteht der Versuch, die Gestalt des Liebenden genauso klar wie die Liebe selbst zu sehen, sich selbst oder den anderen nach beiderlei Wesenheit zu befragen. Dahinter schimmert natürlich der Versuch, die Bedingungen der Liebe verstehen zu lernen: warum sie entsteht, wie sie bleiben kann, was sie verschwinden lässt. Und die Antworten auf diese Fragen, sie müssen doch im geliebten Wesen zu finden sein – oder nicht?

„du fragst
warum ich schweige
horche in mich hinein
und du wirst es hören“


Man spürt kein Drängen, keine Unbedingtheit in diesem Suchen und Fragen, sie sind mehr wie ein ewiges Spiel, wie Gezeiten, und so hüllen sich die Gedichte bei aller Klarheit auch in eine Ferne, eine Abgeschiedenheit. Die Größe der Gefühle steigt aus den kleinen Gesten; liegt in den „überdachten“ Gedanken, auf deren Dächer der Regen der Eindrücke und Gefühle fällt und das Denken weiß, dass die Gedanken etwas von der unmittelbaren Erfahrung trennt, man lauscht, und gleichzeitig entsteht aus dem Geräusch der Tropfen eine andere, sinnliche Erfahrung.

„ich schaue den mond an
gerne würde ich zu ihm hinaufsteigen
und ihn streicheln“


Diese Gesten und das Wissen um die Entfernung geben Taufiqs Band den Ton, sein Couleur. Es entsteht eine überwiegend ruhige, manchmal meditative, manchmal direkte, manchmal diskursive Auslotung der Liebesmomente und -möglichkeiten. Ein schöner kleiner Band.   

Den Gedichten zur Seite gestellt sind Bilder des Aachener Künstlers Roland Mertens, die, so meine ich zu erkennen, mit Kreide oder etwas ähnlichem auf Schiefer gezeichnet wurden. Sie haben etwas von römischen Wandbildern und in ihrer Schemenhaftigkeit auch etwas Gespenstisches; dennoch sind sie in ihrer Zartheit, die durch Kreide und Schiefer auch wieder etwas Rustikales bekommt, auf unnahbare Weise eindrücklich.

„du bist schön
geliebte
wenn du bei mir bist
wenn ich dich küsse
und du lächelst“



Suleman Taufiq: Was weißt du von mir. Liebesgedichte. Arab./Dt. Illustrationen: Roland Mertens. Berlin (Edition Orient) 2017. 32 Seiten. 12,90 Euro.

Zurück zum Seiteninhalt