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Sophie Reyer: Engelassoziation

Montags=Text
Sophie Reyer

Engelassoziation


Darf ich vorstellen.
Ich bin Engel.
Der Enkel von Urengel.
Das ist nicht so leicht, wissen Sie, wenn die Engel sich den Menschen nähern wollen. Da, wo sie nämlich die Gegenstände sehen können, da sehen wir nur komische Hohlräume.
Sie sind ja auch nur durch den Atem an euren Körper gebunden. Die Schnur verläuft übrigens direkt durch den Nabel. Na, dann glauben Sie mir eben nicht.
Wir essen Luft, wie die Toten.
Uns hat die Erde einen Kussmund entgegengestreckt. Darum sehen wir alles anders.
Man muss uns verorten.
Oft übernimmt eine Landschaft diese Aufgabe. Die Landschaften sind ja geduldig, wissen Sie.
Das Gewebe sonst: Feuer Licht Nichts.
Wir sind außen und innen ganz gleich.
Sind Wesen ohne Gefäß.
Weil wir uns selbst so ähneln aus allen Richtungen, können wir auch nicht lügen.
Unpraktisch, ich weiß.
Tut mir Leid.
Entflammer ist auch so ein Wort.
Oder Erglüher.
Aber bitte nicht mit den Glühwürmchen verwechseln.
Das mit der Ich-Entwicklung ist nichts. Zu mühsam. Und an einem Körper haut man sich doch ständig nur an! Da ragen wir lieber in den Himmel rein, ehrlich.
Ein Ehrlicht das nicht erlischt.
Zischschschschsch!
Nein. Ich bin keine Jahresendzeitflügellichtfigur, die man kaufen kann.Nicht so wie diese pausbäckigen Keramikskulpturen hinter den Glasfassaden.
Sie werden enttäuscht sein.
Ich bin einfach nur da.
Nein, keine Bezahlung.
Einfach so.
Sie glauben mir nicht?
Aber ich sagte doch schon: Ich kann nicht lügen. Ich bin innen und außen ganz gleich.
Neidisch? Auf Sie? Aber nein!
Eine Wolke umgibt mich, ein Regenbogen wölbt sich kokett über meinem Hirn, ich fummel mit den Fingern an den Gestirnen rum, wenn ich mich langweile.
Nirgendwo gehör ich hin, ich bin da, wos was zu bedienen gibt.
Manchmal bin ich auch Bote.
Tot?
Nein, tot bin ich schon zu oft gewesen.
Das hab ich mir abgewöhnt.
Was?
Ja, Urgewalt und so.
Sagte ich doch schon.
Ein Leib aus Feuer und Luft.
Weicht immer aus. Nicht aus Prinzip. Aber die Form ist eben nicht konstant. Und das menschliche Auge auch zu gröbkörnig, um uns wahrzunehmen.
Trotzdem sind wir wahr.
Naja, ich weiß, das ist ihnen jetzt zu kompliziert.
Egal. Passen sie auf:
Manche von uns sind vor langer Zeit an Wackelsteinen oder alten Birken hängen geblieben. Da wachen sie jetzt. Sie bewachen das Wachsen.
Schwachköpfe, sagen Sie?
Reine Zeitverschwendung?
Aber wir haben keine andere Wahl.
What to do.
So, jetzt schwingen wir uns wieder hinauf in die ewige Ruhe.
Sie haben ja keine Wunden hier, oder?
Alles gesund, oder?
Braucht eh grad keiner ein Wunder?


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