Sigurbjörg Þrastardóttir: Zwei Gedichte
Werkstatt/Reihen > Reihen > Wortlaut Island

Sigurbjörg
Þrastardóttir
2 Gedichte
(aus: Ljóðbréf Nr. 3 / Poesiebrief Nr. 3, Tunglið forlag, Reykjavík 2021)
Aus dem Isländischen von Jón Thor Gíslason und
Wolfgang Schiffer
AUTOPORTRÄT
–
jeg var et stille barn (Tove Ditlevsen)
ich könnte
eine junge katze haben die ich ersticken könnte auch wenn
ich noch nie eine katze hatte ich
könnte quasi
so tun als qualmte ich eine nein dem quasi fehlt
das tun aber vielleicht kann ein quasi
qualm mein gesicht erquicken ich
habe ja nie geraucht
könnte aber versuchen
eine miene
aufzusetzen bei der man die zähne nicht sieht auch wenn
es physikalisch schwierig
ist da sie
nie eine wand haben um sich anzulehnen
verstrubbeltes haar
halssehnen zum teufel
sie scheinen
sich
nie auch
nur ein bisschen vorbereitet zu haben
Á-S-A S-Á-Á
(Á-S-A-S-A-H-E-I-N-E-N-B-A-C-H)
Das
Mädchen trägt einen weißen Rock
Pagenschnitt
Riemchenschuhe
und hält
im Arm statt eines Teddybären
ein abgemagertes Kind
Á s a s a h keinen B
a c h
denn sonst
hätte sie dem Kind
zu trinken
gegeben
Á s a h a t kein
S c h l o s s
denn sonst
würde sie den Schmerz aussperren
Á s a d a r f
alles machen
mit der glatzköpfigen
dunklen Stoffpuppe
vielleicht
h a t
Á s a eine S e e l e
und gibt
sie dem Kind
Sigurbjörg Þrastardóttir, geb. 1973 in Akranes, lebt als
Rundfunk-Kolumnistin und Schriftstellerin in Reykjavík. Seit ihrem ersten
Lyrikband im Jahr 1999 veröffentlichte sie neben Theaterstücken, Erzählungen
und zwei Romanen sieben weitere Gedichtbände, für die sie mehrere literarische
Auszeichnungen und Preise erhielt. In deutscher Übertragung erschien 2011 ihr
Gedichtband Fackelzüge. Letzte
Buchpublikationen u. a.: Kátt skinn (og
gloria) / Fröhliche Haut (und Heiligenschein), Gedichte, Reykjavík 2014, Hrygg dýr / Wirbeltiere, Gedichte,
Reykjavík 2018 und Mæður geimfara / Mütter von Astronauten, Geschichten,
Reykjavík 2020.