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Sergio Raimondi: Poetik und industrielle Revolution

Gedichte > Gedichte der Woche

Foto: Timo Berger


Sergio Raimondi



Poetik und industrielle Revolution



Gegenstand des Streits, die Dichtung, eine äußerst heikle Angelegenheit,
sich ihrer anzunehmen, macht eine Diagnose der Kriterien
der Leserschaft notwendig, mag diese auch in ihrer Entfremdung
oder ihrem Bewusstsein wankelmütig oder unerschütterlich sein,
sowie eine Analyse der Art und Weise, wie Gewohnheiten
und Sprache aufeinander reagieren, und eine gründliche Studie
der Wechselbeziehungen zwischen Literatur und Gesellschaft.
Sicher, es heißt, diese Gedichte wurden geschrieben,
um die Wahrnehmung derer zu erhellen, die, zu Tausenden
in riesigen Städten zusammengepfercht, die Feinheiten
des eigenen Denkens bei ihrer monotonen Beschäftigung
verlieren und unfähig zu einer Reaktion sind,
wenn ihnen ein plumper oder extremer Reiz fehlt.
Merkwürdig ist daher, dass die Metrik, die der Dichter
für ein Element der Regelmäßigkeit und Beständigkeit hält,
das eine ganz neue Form der Konstruktion ermöglicht,
so funktioniert, wie der Regler, den in jener Zeit Watt
in die Dampfmaschine einbaute, um eine gleichmäßige
Geschwindigkeit und all die Automatisierungen
zu ermöglichen, die noch kommen sollten, Maschinen,
die in der Lage sind, Aufgaben auszuführen, die gestern
noch Menschen erledigten, und diese selbst zu kontrollieren;
andererseits stellte Wordsworth seinem Leser Ideen vor,
die ein erregter Zustand hervorgerufen hatte,
einem präzisen Mechanismus folgend, der die Emotion
im Ruhezustand wieder einholt, bis die Ruhe schwindet
und sich die Emotion erneuert. Und ich sage: Das ist
die Energie des Wasserdampfs, der sich dehnt und dehnt
und wieder abkühlt, um mehr und mehr zu produzieren.

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In Sergio Raimondi: Poesia civil / Zivilpoesie. Argentinisches Spanisch / deutsch.
Übersetzt von Timo Berger. Leipzig (edition ultramar / Lateinamerikanische Literatur
im Verlag Reinecke & Voß, herausgegeben von Peter Holland) 2017. 164 Seiten. 15,00 Euro.

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