Ruth Johanna Benrath: PSALM/aus der tieffen
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Foto: Bernd Suchland
Ruth Johanna Benrath
PSALM/aus der tieffen
Bleibt deshalb immer etwas zu corrigirn/das versehen oder verkert ist.
(Lutherbibel 1545, Nachwort)
1
Wachgelegen,
so müde vom seufftzen
in meinem Ohr
ein Brausen, ein Knistern, nein
ein Sirren
ist das Gott
diese Zimbel
oder sind das Funksignale aus dem All
oder das Flüstern von Engeln
wenn du das bist,
kannst du mich bitte loslassen
2
Eine Wolke aus Schnee
die erste Amsel
im Zungenflug
über den Dächern
die Rauchsäule die Feuersäule
wo bist du
der du durch Wände gehst
Engel oder Gespenst
du hast dich mit einer wolcken verdeckt
wer bist du
die Schneesäule
keine Antwort auf meine Fragen
3
Er war ist
nur wenige Millimeter Zentimeter entfernt von mir
in Michelangelos Finger
wir schwebten sein Gesicht
schwebt über mir
im Paradies im Weltraum
warumb hastu mich verlassen
wenn wir atmeten er atmet
zog zieht ein Lufthauch über unsere meine Stirn
unsere Fingerspitzen berührten sich
berühren sich
nicht
4
Der Mensch ein Strich
in der Landschaft ein Punkt
ein Strichpunkt
i ich
Pünktchen
Handschrift Gottes
Luft zwischen den Buchstaben
Atem
am himel wirds schön durch seinen wind
was ist schiefgelaufen
im Garten Eden
als der Mensch
aus den Bäumen kletterte
und an Land ging
um es zu verwüsten
5
Anwesend sein
auf dieser Erde
so viel Schönes
das glaubst du doch selbst nicht
er weltzet mich in der asschen
der Mensch, erst leicht
dann schwer
er hat meine zeene zu klein stücken zerschlagen
Augen klappen zu, Erde fällt auf Sarg
er hat mich in finsternis gelegt
6
Luthers letzter Zettel
auf dem Krankenbett
mein hertz ist in meinem leibe wie zerschmoltzen wachs
zwei Tage vor seinem Tod:
Versuche erst gar nicht
Gott zu verstehen
seine Irrfahrten
sein Experiment mit der Welt
7
Was du jetzt tun kannst
nach zerstörtem Schlaf
über der Erde schweben
ohne Mund schreien
meyne seele wartet