Rosa Luxemburg: Schlußbemerkungen zur Politik der USPD
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Rosa Luxemburg:
Schlußbemerkungen zur Politik der USPD
Unsere erste
Pflicht ist es, jede Brücke zu der gegenwärtigen Regierung abzubrechen. Das ist
unsere Forderung, und damit sind wir im Recht. Da hat sich nun vorhin der
Genosse Barth hingestellt und seine revolutionären Heldentaten aufgezählt. Wenn
der Genosse Barth wirklich ein so großer Revolutionär ist, dann hat er sich in
den letzten fünf Wochen sehr schnell abgewirtschaftet. Jetzt nimmt der Genosse
Barth an allen konterrevolutionären Aktionen der Regierung Ebert teil. Warum
ist er in diese Regierung eingetreten? Warum ist er nicht in den Reihen des
Proletariats geblieben, dort, wo der Platz eines wahren Revolutionärs ist?
Nein, Genossen, einzelne Personen machen die Revolution nicht; wenn die
Revolution nicht von den Massen selbst ausgeht, so ist sie keinen Schuß Pulver
wert. Ströbel hat ausgeführt, daß die Vertreter der USP zur revolutionären
Mitarbeit sich an der Regierung beteiligen müssen. Nein, Genossen, nicht darauf
kommt es für uns Sozialisten an, zu regieren, sondern den
Kapitalismus zu stürzen. Noch ist er nicht erschüttert, noch besteht er; da
gilt es nicht, zu zeigen, daß wir eine regierungsfähige Partei sein können, und
daß wir jetzt, in dieser Regierung, als Sozialisten nicht regieren können, das
ist bereits bewiesen. Man hat uns gesagt, daß wir lange warten müßten, bis die
Mehrheit des Proletariats sich zu unseren revolutionären Anschauungen
durchgerungen habe. Diejenigen, die dieses Argument geltend machen, verkennen
ganz und gar das lebendige und energische Tempo der revolutionären Entwicklung.
Nicht wir sind es, die zur Herrschaft kommen wollen, sondern wir wollen, daß
die Mehrheit des Proletariats die politische Macht in Händen hat. Alle diejenigen,
die den Popanz der Nationalversammlung aufgerichtet haben, haben
verwirrend auf die Massen gewirkt und die revolutionäre Entwicklung auf Monate
und Jahre zurückgeschraubt. Hilferding hat das demokratische Prinzip betont.
Aber diese formale Gleichheit der Demokratie ist Lug und Trug, solange noch die
ökonomische Macht des Kapitals besteht. Man kann nicht mit der Bourgeoisie und
den Junkern darüber debattieren, ob man den Sozialismus einführen solle.
Sozialismus heißt nicht, sich in ein Parlament zusammensetzen und Gesetze
beschließen, Sozialismus bedeutet für uns Niederwerfung der herrschenden
Klassen mit der ganzen Brutalität (großes Gelächter), die das Proletariat in
seinem Kampfe zu entwickeln vermag. Die Nationalversammlung soll dazu
dienen, den Abgrund zwischen Kapital und Arbeit zu überbrücken. Ihr steht jetzt
vor der Entscheidung, welchen Weg Ihr gehen wollt, entweder mit uns oder mit
Scheidemann. Es gibt jetzt kein Ausweichen mehr, nur ein Entweder-Oder.
(Am 15. Dezember 1918 auf der Außerordentlichen
Verbandsgeneralversammlung der USPD in Groß-Berlin)