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Rosa Alice Branco: In jedem Fado ein schwarzer Schal

Werkstatt/Reihen > Reihen > Brückensprache
Foto: Barbara Soares
Rosa Alice Branco

Aus dem Portugiesischen von Timo Berger

In jedem Fado ein schwarzer Schal / UM XAILE PRETO EM CADA FADO
 



In jedem Fado ein schwarzer Schal

Tropfen des Sichtbaren streifen das Ende des Tages, der plötzlich abklingt
in Asche. Die Straße geht durch eine Frau mit enggeschlungenem Schal.
Gerade hat sie aufgehört, sich nach seiner Liebe zu sehnen, ja, nach seiner
Ankunft. Da sie nur der Schal umschließt, drückt sie sich an die schwarzen Borten
der Nacht. Am Tag – morgen, weder gestern noch früher, als
die Granatäpfel sich mit der saftigen Hitze färbten – wird jede Stunde
mit dunklen Früchten empfangen, abgenommen von den feuerroten Laken
in einem Nahverkehrszug, aber es könnte auch ein verdammter Mercedes sein:
so oder so, schert sich das Ende der Liebe um Pailletten oder Brillanten
wenig, denn nur der Glanz der Augen erzählt uns von den Jahreszeiten
der Seele. Er hätte die Frau gegen eine Jugendliche ohne Schal eintauschen können,
eine Blume gegen eine Tulpe, aber er konnte nur in einem Krankenhausbett
sterben: Nachdem er selbst in so vielen Betten gelegen hat, bedeckt ihn
bloß ein Laken. Allein die Erinnerung wärmt das Leben ein wenig, wie
ein Glas Milch, komm und trink zumindest einen Schluck. Wer würde behaupten
dass die Nächte heiß waren, seine Hände glitten über sie
wie billiger Fusel, der die Wände einer Tasse benetzt.
Ihre Schritte zu beschleunigen, vergisst die Frau, weil der Körper
weiß, dass niemand auf sie wartet, dass ihre Wohnung kein Zuhause ist.
Tröstenden Worten weicht sie aus. Geht durch die Gasse, die in derselben Straße
mündet, denn der Orientierungssinn ist ein modernder Sumpf
aus brutalem Schmerz innerhalb des Schals, der nicht wärmt. Vorerst
denkt der Typ auf dem Balkon über der Gasse, als er den Stummel runterschnippt.
Nach Sturm wird sie leichte Beute sein – denkt er – und geifert schon
in derselben Nacht, in der sie der Schmerz undurchdringlich macht.


 
 
UM XAILE PRETO EM CADA FADO
(A ronda da noite na viela)

Há gotas de visível a rondar o fim do dia que súbito se apaga
em cinza. A rua passa numa mulher de xaile apertado.
Deixou há pouco de suspirar pelo seu amor, digo, pela chegada
dele. Agora que só o xaile a cinge aperta-se nas franjas negras
da noite. Sendo dia — amanhã e não ontem ou antes quando
as romãs tingiam de calor suculento — cada hora se toma
de frutos sombrios que se afastam dos lençóis ao rubro
num comboio de subúrbio, mas podia ser num bruto Mercedes:
assim como assim o fim do amor é indiferente a lantejoulas
ou brilhantes, porque só o brilho dos olhos nos conta as estações
da alma. Podia ter trocado a mulher por uma adolescente sem xaile,
a flor por uma tulipa, mas só pôde ter morrido numa cama
de hospital: depois de passar por tantas camas apenas um lençol
agora o cobre. Só a memória amorna um pouco a vida, como
um copo de leite, vá bebe ao menos alguma coisa. Quem diria
que as noites foram tórridas, as mãos dele escorriam por ela
como um vinho esponjoso agarrado às paredes da malga.
A mulher esquece-se de apressar os passos, porque o corpo
sabe que já nada a espera, nem a casa é casa. Escusa-se a
palavras de consolo. Caminhar pela ruela e esta desembocar
na mesma rua, pois o sentido é um pântano pestilento
de dor crua dentro do xaile que não aquece o frio. Por agora,
pensa o tipo à varanda da viela ao atirar a beata à rua. Depois
da tempestade passar, ele tem-na como certa e já se baba
nesta mesma noite em que a dor dela a torna impenetrável.
In Traçar um nome no coração do branco


Rosa Alice Branco ist Dichterin, Essayistin, Forscherin und Übersetzerin. Die promovierte Philosophin hat vier Bücher mit Essays und mehrere Gedichtbände in Portugal und im Ausland veröffentlicht. Ihr Buch „Cattle of the Lord“ wurde 2016 in den USA als eines der zwölf besten Poesiebücher ausgezeichnet. Im Jahr 2023 veröffentlichte sie den Gedichtband Amor „Cão e outras palavras que não adestram“ (Ed. Assírio & Alvim) und den Aufsatz “As cores das coisas: viagem pela natureza e pelos objectos” (Ed. Contraponto).
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