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Rosa Alice Branco: Die Mütter

Werkstatt/Reihen > Reihen > Brückensprache
Foto: Barbara Soares
Rosa Alice Branco

Aus dem Portugiesischen von Timo Berger

Die Mütter / AS MÃES


AS MÃES                                       
para o Joni

A mãe chama para o almoço
e corres com os calções rotos,
os bolsos cheios,
o riso a arreliar as horas,
as mãos lavadas à pressa
e a tua boca é meiga ao chegar à mesa.

Se tardas, a mãe guarda o teu prato
junto ao coração
e sorri-nos como se fosses chegar.
O almoço esfria. Os nossos olhos colados
à porta, às tropelias que hás-de fazer,
aos joelhos rebentados,
aos bolsos que se esvaziam em cinzas.
Mas não há mar que baste para afogar
o almoço à deriva no teu prato.

A voz da mãe não cessa de chamar por ti.
Quanto mais cala, mais a ouvimos
a uivar em silêncio pela sua cria.
E mesmo assim sorri-nos,
e nós a ela, tão desajeitados.

As mães sempre chamam pelos filhos.
Quando sabem que a hora do almoço findou
continuam a vê-los entrar pela porta
com sorriso de criança endiabrada.
Depois que todos se levantam da mesa
elas estilhaçam o prato contra o coração
e continuam mães
com os olhos cansados e as solas gastas
de esperar ao frio para todo o sempre.

in No frio dos teus ossos


Die Mütter
für Joni

Die Mutter ruft zum Mittagessen
und du rennst mit aufgerissenen Hosen,
vollen Taschen,
dem Lachen, das die Stunden stört,
den Hände, hastig gewaschen
und lieblich ist dein Mund, als du an den Tisch kommst.

Wenn du zu spät kommst, hält die Mutter den Teller
vor ihrem Herzen
und lächelt uns zu, als würdest du kommen.
Das Mittagessen wird kalt. Unsere Blicke gebannt
auf die Tür, auf die Streiche, die du machen musst,
auf die aufgeschürften Knie,
auf die Taschen, aus denen Asche rieselt.
Aber kein Meer würde reichen,
um das auf deinem Teller treibende Essen zu versenken.

Die Stimme der Mutter hört nicht auf dich zu rufen.
Je leiser sie wird, umso lauter hören wir sie
im Stillen nach der eignen Brut rufen.
Und selbst so lächelt sie uns an,
und wir sie, so plump.

Mütter rufen immer nach ihren Kindern.
Wenn sie wissen, dass die Zeit des Mittagessens vorbei ist
sehen sie sie weiter durch die Tür hereinkommen
mit dem Lächeln eines kecken Jungen.
Nachdem sie vom Tisch aufgestanden sind
hissen sie die Teller vor dem Herzen
und bleiben Mütter
mit erschöpften Augen und vom Warten
auf die Kälte für immer abgenutzten Schuhen.


Rosa Alice Branco ist Dichterin, Essayistin, Forscherin und Übersetzerin. Die promovierte Philosophin hat vier Bücher mit Essays und mehrere Gedichtbände in Portugal und im Ausland veröffentlicht. Ihr Buch „Cattle of the Lord“ wurde 2016 in den USA als eines der zwölf besten Poesiebücher ausgezeichnet. Im Jahr 2023 veröffentlichte sie den Gedichtband Amor „Cão e outras palavras que não adestram“ (Ed. Assírio & Alvim) und den Aufsatz “As cores das coisas: viagem pela natureza e pelos objectos” (Ed. Contraponto).
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