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Robert Huber: Kreiswechsel

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Hans-Karl Fischer, ein Freund und Mitbegründer des Lyrikpreises München, starb unerwartet nachts vom 5. auf den 6. März 2024. Seine literarische Vita ist unter der Rubrik Poets im Poetenladen zu finden. Sein Dichterfreund Robert Huber schreibt:

Robert Huber

Kreiswechsel


Mensch, Hans-Karl! Seit dem 26. Juli 1994 kennen wir uns. Am sommerlichen Abend jenes Dienstags wagte ich einen Wechsel, aus politischen in literarische Kreise. Der Fremdheitszaun zwischen Euch und mir wurde rasch verkleinert, schließlich abgebaut.
    Meinen Texten fehlte so richtige poetische Erfahrung. Ihr habt sie geduldig angehört, mich danach meist wohlwollend beraten. Allmählich bekam ich das Gespür für andere Texte, lernte den Umgang mit, das Verteilen von Kritik. So begann eine literarisch fruchtbare Zeit, die bis heute andauert; wobei Politik auch immer wieder poetisch verarbeitet wird.
    Du, Hans-Karl, warst fast immer dabei. Dass der vorherige Satz sechs, statt fünf Worte hat, liegt an einer Funkstille. Die zwischen uns trat. Sie war kein Nachhall eines Streits, aber in ihr hat jeder eben kräftig sein Ding gemacht.

Dann hast du mich zu deiner Mundart-Lesereihe nach Ramersdorf eingeladen. Erst war ich Zuhörer, bald mehrmals Mitwirkender.
 Und jede dieser Veranstaltungen, erst recht später Deine Gründung unserer kleinen gemischten Literaturgruppe, hat mir über eines immer mehr Gewissheit gebracht: Unsere Herkünfte, Lebensläufe sind sehr unterschiedlich. Dennoch haben wir sehr viele, wahr-scheinlich immer noch unentdeckte, Gemeinsamkeiten.

Womöglich ist eine der Wunsch gewesen, dass wir uns im Niemandsland Traum treffen: denn knapp sechs Stunden, nachdem ich von deinem „Grenzübertritt“ erfahren hatte, warst du in meiner Wohnung und nach dem Händedruck zum Abschied nicht mehr zu hören. Ich ging ins Treppenhaus, fragte, was mit dir los sei. Du sagtest in Deiner niederbayerischen ruhigen Redensart: „Loss mi‘ lieg’n“.
     Hans-Karl, Du hast die Seite gewechselt, wirst aber, wie es ja wohl schon lange geschieht, weiterhin mitdenken und -schreiben. Ein Raum, das Freie, wird sich stets von deiner tiefen, dunklen, keineswegs bedrohlich, gar drohend klingenden Stimme erfüllen lassen.


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