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Þóra Hjörleifsdóttir: Zwei Gedichte

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ÞÓRA HJÖRLEIFSDÓTTIR

Zwei Gedichte
(aus: Ljóðbréf Nr. 4 / Poesiebrief Nr. 4, hrsg. v. Dagur Hjartarson und Ragnar Helgi Ólafsson, Tunglið forlag, Reykjavík 2021)

Aus dem Isländischen von Jón Thor Gíslason und Wolfgang Schiffer


EIN TIEFER SEE

Nimm einen geschliffenen Stein auf
spüre
wie weich die Welt ist

ich weiß du bist hungrig
im ewigen Mangel
an Nähe
Berührung
Zeit

lass die Sonne dir
ins Gesicht scheinen

vertraue darauf
dass du nicht brechen wirst
sondern tiefer in dich gehst



EIN NACHMITTAG IM DEZEMBER

Die Waschmaschine läuft
seit gut einem Jahrzehnt
mit verdreckten Klamotten
im ewigen Kreislauf des Schmutzes

Reißverschlüsse schlagen gegen die Trommel
sie schleudert und stöhnt vor Anstrengung
während ich versuche meine innere
Märtyrerin zurückzuhalten

die sich unablässig damit abmüht
vor der Welt zu verbergen wie satt ich es habe
wie sehr ich mich selbst bemitleide
wegen der Drecksspur die sich hinter mir herzieht


Þóra Hjörleifsdóttir, geboren 1986, lebt in Reykjavík; sie ist Mitglied des Schrift-stellerinnen-Kollektivs Svikaskáld / Betrügerische Dichterinnen und veröffentlichte bisher im Rahmen dieser Publikationen drei Gedichtbände. 2019 kam ihr erster Roman, Kvika, heraus. Dieser erscheint noch 2021 in Übersetzung unter dem Titel Magma sowohl in den USA als auch in Großbritannien.
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