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Philipp Ammon: Hedge-Friederich

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Philipp Ammon

Hedge-Friederich


Er wallte zu dem Heiligtum:
Die heiligen Stätten verehrte er,
Umkreiste sie nach frommem Brauch.
Durch diese Pilgerschaft erwarb
Er seinen Namen: Hedge-Friederich.
Doch weil der Friederich so fromm
Betrachtete das Heiligtum,
Ward er betraut mit Höherem
Und hütete der Weisen Stein,
Den schwarzen Fels,
BlackRock genannt:
Die Kaaba des Kapitals.
Der diente er mit frommem Sinn:
Nur diesem Steine soll man dienen.
Der Fels soll haben ein Monopol
Auf diese Welt –
Monopoly, ein Kinderspiel:
Ich breite seine Herrschaft aus
Durch eine kleine Anstrengung.
Indes die große Anstrengung:
Zu dienen von ganzem Herzen ihm.
Dem Stein sei alles untertan:
Die Heimat unterwerf’ ich ihm.
Ich BlackRocker verkünde euch:
Der Glaube ist ganz rational;
Durch Algorithmen wird regieren
Das Kapital;
Fürchtet die Unterwerfung nicht,
Ergebt euch ihm mit Hingebung:
Dem schwarzen Fels
Sei meine Heimat untertan.
Hedge-Friederich war mächtig stolz:
Er brauchte nicht einmal Gewalt.
Sie öffnete sich ganz von selbst
Der Herrschaft seines schwarzen Steins.
Glaube und Herrschaft sind nun eins.
Der Fels hat nun ein Monopol
Auf dieses Land.
Das war für ihn ein Kinderspiel,
Nur eine kleine Anstrengung,
Nur eine kleine Abstimmung
In der Madschlis des Bundestags.
Er hat sich selbst hintangestellt
Und widerrief die Aussagen von
Vor der Wahl:
Der Iblis hatte ihn verführt,
Als er von Schuldenbremsen sprach.
Er widerrief:
Wenn zwei Aussagen kollidieren,
Soll gelten stets die spätere.
Der Widerruf ist Aufhebung im höheren Sinn:
Was Einfaltspinsel nicht verstehen.
Er war fast selbst ein schwarzer Fels
Des digitalen Kapitals
In einem Sturm des Widerspruchs,
Doch hielt er in der Brandung stand
Fürs große Ziel
Und hat’s erreicht:
Daß Algorithmen tanzen fast ekstatisch bis zur Inflation:
Die Elektronen frohgemut, frohlocken,
Daß nun durchregieren und endlos Schulden aufnehmen darf
Die Koalition
Ganz ungebremst:
Schwarzrot heißt jetzt BloodyBlackRock
’cause #BlackRockMatters as you know.
Souverän ist, wer die Algorithmen tanzen läßt:
Die Derwische des digitalen Kapitals
Sind reiner Geist, Kalkulation:
Die Zahlenmystik Eins und Null.
Und Derwische sind Darbende.
Er darbte beinahe zwanzig Jahre fern der Macht,
Verzehrte sich, übte ergeben Machtverzicht
Und hütete den schwarzen Fels.
Als Gnadengabe empfing er nun,
Daß er regiere gerecht den Staat,
Die Macht.
So fromm war der Hedge-Friederich.


Philipp Ammon ist Historiker, Kaukasiologe und Slawist, studierte in Berlin, Kasan, Moskau und Tbilissi Philologie und Geschichte. Bei Vittorio Klostermann erschien 2020 Georgien zwischen Eigenstaatlichkeit und russischer Okkupation. Die Wurzeln des Konflikts vom 18. Jh. bis 1924. Deutsch-, englisch-, jiddisch-, russisch-, französisch und italienisch-sprachige Essays, Geschichten und Gedichte erschienen und erscheinen in der Neuen Zürcher Zeitung, Cicero, Berliner Zeitung, The European, Kosmopolis, Jüdische Rundschau, Matrix - Zeitschrift für Literatur und Kunst, tabula rasa, Rhein!, karenina, Das Blättchen, Ossietzky (Deutschland), Die Presse, David, erostepost, perspektive. hefte für zeitgenössische literatur (Österreich), Revue Verso (Frankreich), Nuove Lettere, Osservatorio Letterario, Calabria Letteraria (Italien), Quadrant (Australien), Turning Points - Faces & Names with Essays from The New York Times, აფრა, სჯანი (Georgien), Qutub Minar Review (Indien), Tales of Reverie, WestWard Quarterly, Juste Milieu Literature & Art Zine (USA), Grine Medine (Niederlande), יידישלאנד (Schweden), Зеркало (Israel). Sie wurden ins Ukrainische (Petro Rychlo) und Niederländische (Hilde Pach) übersetzt. Russische, französische und jiddische Gedichte wurden und werden in Rußland (Leonid Sergejew, Vjacheslav Akopov, Andrej Moltschanow, Elizaveta Panchenko), Frankreich (Olivier Milhaud, Jean- Philippe Dartois, Jacques Arnould) und der Ukraine (Taras Kompanitschenko) vertont. 2020 gewann er den XXXVI. Literaturpreis für Poesie, Erzählung, Essayistik in der I. Sektion (unveröffentlichtes Einzelgedicht) mit dem Gedicht Città eterna des Italienischen Kulturinstituts Neapel und der internationalen Poesie- und Literaturzeitschrift Nuove Lettere. 2025 erscheinen im Gans Verlag der Reiseessay Tuschetiens Wolken und Karthlis Untergang und die europäische Elegie Die schöne Zeit und andere Prostatexte.

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