Petr Hruška: Fünf Gedichte
Gedichte > Lyrik heute

Foto: Dirk Skiba
Petr Hruška
Fünf Gedichte
übersetzt von Patrik Valouch
EIN SUPERMARKT IN FRANKFURT
Im Einkaufszentrum krümmte sie sich in
einem Anfall von Verzweiflung.
Sie musste sich mit dem ganzen Gewicht auf das Regal stützen,
die Hände dabei in den Spaghetti vergraben,
die sich fächerartig in alle Himmelsrichtungen zu verstreuen begannen.
So harrte sie aus,
obgleich es sinnlos war.
Der Körper hörte auf,
sich der völligen Verlassenheit zu widersetzen.
Die Halskette baumelte in leerer Pracht.
Die Jahre krochen heraus,
wie Rippen,
in perfekter Ladenbeleuchtung,
die keinen Schatten wirft.
Ein Angesteller kam, um die Hummer aufzufüllen.
Sie stand still,
hoch und uneinnehmbar,
und zu ihren Füßen ein wilder Stern
aus verstreuten Spaghetti.
Sie musste sich mit dem ganzen Gewicht auf das Regal stützen,
die Hände dabei in den Spaghetti vergraben,
die sich fächerartig in alle Himmelsrichtungen zu verstreuen begannen.
So harrte sie aus,
obgleich es sinnlos war.
Der Körper hörte auf,
sich der völligen Verlassenheit zu widersetzen.
Die Halskette baumelte in leerer Pracht.
Die Jahre krochen heraus,
wie Rippen,
in perfekter Ladenbeleuchtung,
die keinen Schatten wirft.
Ein Angesteller kam, um die Hummer aufzufüllen.
Sie stand still,
hoch und uneinnehmbar,
und zu ihren Füßen ein wilder Stern
aus verstreuten Spaghetti.
HÖR
MAL
Du musst was essen.
Wenigstens einen Bissen.
Halte dich mit einer Hand an der anderen fest.
Warte, ich fische eine Karotte raus.
Die dampfende Karotte strahlt ja förmlich in diesem Saustall hier.
Hier die Scheibe.
Also, ziehen wir den Vorhang zu.
Na, dann halt nicht.
Sie rufen nach einer gerechteren Welt.
Tja, die Menschheit.
Warte, ich wisch’ das ab.
Sogar der Himmel ist schmutzig wie Spülwasser, ich bitte dich.
Steh’ mal kurz auf.
Warte, du wirst Augen machen.
Eine Karottenscheibe.
Wenigstens einen Bissen.
Halte dich mit einer Hand an der anderen fest.
Warte, ich fische eine Karotte raus.
Die dampfende Karotte strahlt ja förmlich in diesem Saustall hier.
Hier die Scheibe.
Also, ziehen wir den Vorhang zu.
Na, dann halt nicht.
Sie rufen nach einer gerechteren Welt.
Tja, die Menschheit.
Warte, ich wisch’ das ab.
Sogar der Himmel ist schmutzig wie Spülwasser, ich bitte dich.
Steh’ mal kurz auf.
Warte, du wirst Augen machen.
Eine Karottenscheibe.
EIN
DECK IN DER NORMANDIE
Ich trat an das dürftige Geländer,
an dem du schon standest.
Wir hielten beide die Metallstäbe
in unseren Händen
wie ein überraschendes und kaltes Geschenk.
an dem du schon standest.
Wir hielten beide die Metallstäbe
in unseren Händen
wie ein überraschendes und kaltes Geschenk.
Unter uns fuhren die Autos raus.
Lange Lastwägen,
vollbeladen
mit neu hergestellten Autos.
Sie hielten nicht am Hafen an und fuhren weiter,
in Richtung der Triumphbögen
der Autobahnrampen.
Über uns havarierte der Abendhimmel.
Wir standen da
ohne den Blick zu lösen von den Autos befördernden Autos,
von den neuen, völlig leeren Autos,
die unbeweglich über die Autobahn sausten.
Lange Lastwägen,
vollbeladen
mit neu hergestellten Autos.
Sie hielten nicht am Hafen an und fuhren weiter,
in Richtung der Triumphbögen
der Autobahnrampen.
Über uns havarierte der Abendhimmel.
Wir standen da
ohne den Blick zu lösen von den Autos befördernden Autos,
von den neuen, völlig leeren Autos,
die unbeweglich über die Autobahn sausten.
ABENDS
In einer plötzlichen Entscheidung
weist die in das harte Zinn des Himmels
schwarz geprägte Hand des Obdachlosen
dort hin
bis die Augen schmerzen
wie kann es hier
noch ein Dort geben
weist die in das harte Zinn des Himmels
schwarz geprägte Hand des Obdachlosen
dort hin
bis die Augen schmerzen
wie kann es hier
noch ein Dort geben
DIE
KATZE
Tiere beherrschen die Grundlagen der
Geometrie viel besser.
Eine schwarze Katze findet auf Anhieb
die Achse der Situation,
die Platzmitte,
den goldenen Schnitt des Nachmittags und legt sich hinein.
Mitten in der Nacht setzt sie sich auf,
spitzt ihren Umriss
und stellt fest,
dass sie nirgends hingehört.
Eine schwarze Katze findet auf Anhieb
die Achse der Situation,
die Platzmitte,
den goldenen Schnitt des Nachmittags und legt sich hinein.
Mitten in der Nacht setzt sie sich auf,
spitzt ihren Umriss
und stellt fest,
dass sie nirgends hingehört.
Petr
Hruška (*1964, Ostrava, dt. Ostrau) zählt zu
den bedeutendsten tschechischen Lyrikern der Gegenwart. Auf Deutsch sind zwei
Gedichtbände erschienen: Jarek anrufen
(Pongratz, 2008; übersetzt Rainer Kunze) und Irgendwohin nach Haus (Edition Azur, 2019; übersetzt von Martina
Lisa).
Die vorliegenden Gedichte stammen aus Hruškas bislang letzten Lyrikband: Nikde není řečeno (Host, 2019;
dt. Nirgends wird gesagt).