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Pegah Ahmadi: Wucht

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Gerrit Wustmann

Etwas wie Gekritzel
Mit „Wucht“ erscheint ein zweiter Band der iranischen Lyrikerin Pegah Ahmadi auf Deutsch

Wieder hat das Blut der Ader
etwas wie Gekritzel entnommen,
hat die Erde zerstört geschrieben.

Diese drei Verse aus dem Gedicht „Zukünftig“ wirken programmatisch für „Wucht“ - so der Titel des zweiten auf Deutsch erscheinenden Lyrikbandes der iranischen Dichterin Pegah Ahmadi. Wie schon „Mir war nicht kalt“ (Sujet Verlag, Bremen 2011) wurde auch dieses Buch von Jutta Himmelreich aus dem Persischen übertragen.

Es sind harte Verse, sowohl sprachlich als auch inhaltlich, Blut fließt hier oft und längst nicht immer metaphorisch, die Welt geht in Fetzen. Mitunter wähnt man sich in einem lyrischen Splattermovie, mal spritzt Blut, mal Sperma, es werden Messer geschwungen und Eingeweide zerwühlt, und selbst dort, wo mit reichlich Pathos so etwas wie Sanftheit aufzukommen droht, ist es, als würden die Gedichte auf harte Steine prallen, nur um zu sehen, was herauskommt, wenn sie aufplatzen.

Klingt krass? Ist es bisweilen auch: durchgeknallt, überdreht, ein Sammelsurium aus oft so hermetischen wie verstörenden Bildern und Assoziationen:

Hauch den Spiegel an, damit er sichtbar wird.
Hier, hinterm Licht, wo es sicherer ist, werde du dunkel!
Schau, wir sind noch gekommen, Knochen zu spalten,
Heilwirkung des Kragens werden, Gedichtband werden.

Dass sich neben viel Innerlichkeit auch aktuelle Bezüge mit ähnlicher „Wucht“ finden, verwundert da kaum. Sei es der Würzburger Axt-Anschlag, sei es die 2014 in Iran hingerichtete Studentin Reyhaneh Jabbari. In einem Gedicht vom Verlassenwerden ist die Verlassene ein „Kadaver“, man „schminkte sich stark mit Blut“ und schließt: „So obszön ist der Tag ohne dich.“ Zugegeben, oft überreizt die Autorin ihre Metaphern so sehr, dass man drüber stolpert, und leider nicht im guten Sinne. Und dann besänftigt sie den Leser mit Versen wie diesen:

Ich habe die Grenze dicht gemacht,
um etwas hinter den Krieg zu schreiben,
auf dass wir ineinander Zuflucht finden mögen.

Pegah Ahmadi, 1974 in Teheran geboren, hat bislang zehn Bücher auf Persisch publiziert, von denen zwei auf Deutsch vorliegen. 2009 kam sie als Stipendiatin der Städte der Zuflucht nach Frankfurt, weilte danach ein Jahr lang als Gastpoetin an der Brown University auf Rhode Island und lebt nun seit einigen Jahren in Köln. 2009 erhielt sie in Iran den Preis für das beste Lyrische Werk, 2013 war sie für den Hilde-Domin-Preis für Literatur im Exil nominiert. Dennoch hat sie es, wie viele Exilschriftsteller, nicht leicht, mit ihrer Arbeit in Deutschland wahrgenommen zu werden. Ob sich das mit „Wucht“ ändert, ist fraglich. Lesenswert ist das schlanke Buch aber allemal, vor allem wenn man sich für die jüngere persische Lyrik interessiert, von der nur sehr wenig in deutscher Übersetzung erscheint.

„Wucht“ versammelt 25 zwischen 2013 und 2017 erschienene Gedichte an die sich, wie schon im ersten Band, eine kleine Sammlung aus zwölf Kurz- und Kürzestgedichten anschließt. Stilistischer und thematischer Ausreißer ist das bereits 2009 entstandene Gedicht „Sterben, wenn ein Schuss fällt“, das bereits in „Mir war nicht kalt“ veröffentlicht ist und hier nun erneut auftaucht.    


Pegah Ahmadi: Wucht. Übersetzt von Jutta Himmelreich. Bremen (Sujet Verlag) 2018. 80 Seiten. 16,80 Euro.
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