Pega Mund, Nikolai Vogel: Den Titel am Schluss
Diskurs/Kommentare > Diskurse > Das Digitalisieren des poetischen Körpers
Fotos: Mario Steigerwald
Pega Mund, Nikolai Vogel
Text für die Kooperationen 2020 im Import Export Kreativquartier München
am 22. 01. 2020
Den Titel am Schluss
Ich denke mir das so:
Wir schreiben den Anfang
und streichen den Anfang
später wieder weg
Dies ist schon der Anfang
Beginn, Auftakt, Antritt
ganz wie du magst
und am Anfang ist es
immer noch so weit
weg vom Schluss
achach ich bin wach sagt der anfang der antritt im lichtlosen
aufwind nicht schwer ist viel leicht ist ein lustig ein
luftiger kuss oder korb am ballon
die zeitschrauben sirren ein frühes chamäleon
schwebt frisch gestrichen auf nimmer
davon
andere warten die kauern im herd in der asche
noch taub von der nacht ungeboren
der anfang die ahnung ist
asche ist asche ist
staub auf dem
tau
Tau
zuletzt
und Hast
hast die Verse
immer so weiter, dass sie
also so, dass sie kürzer werden
bei Dir haben sie abgenommen, Schwund
und ich ziehe sie jetzt in die Länge, eine Art Anbau
überragt jeder seinen Vorgänger und reiht sich doch darunter
als gäbe jeder neuen Grund, wird das eine Treppe, von oben begonnen
hier noch mal eine Stufe, könnten wir das Satzbild im Vortrag so vor uns stellen
zu
sehen
eine scala
santa ewigkeits
treppe immer so weiter
endloses wallen also steigen und
fallen vom himmel kommt es zum himmel
steigt es und wieder nieder zur erde muss es – erinnerst
du dich – ewig wechselnd die seelenchoreografie zyklisch trepp
auf treppab oder wie ein schuss milch im tee oder wie tintntropfn im wasser
zum wasser will alles wasser will weg in beweglichen wolken bis der vers endet sprachlos
und kalt
stehn die mauern im winde
klirren kurzatmig
die fahnen
hast
den faden
verlorn
hats
ich
hab i
n fadn
verlorns garn
gar fest rollen
1 mal im kreisverkehr
kehrtrum
los
sprache
lass
falln
auf anfang
zurück
s o
sieht saus
vonhinten vonvorn
aus der
dis tanz
aus der
nä he
genähtzusammen oder auseinander getrennt
nein jetzt
nicht auch noch
Mittelachse
Lachse
wie sie springen
den Fluss hoch
die Quellen
der Quell
die Mündung
der Mund
und und und
und und dichter und dichter und berge und dichter und dichter und und
dicht dicht und dichter und und ameiseneier und und dichter und dicht dicht
undund dichter und dichtdicht und dichtdicht und dichter undund
dichter dicht dichter und dichtdicht und dichter dicht dichter
und dichter und dichter und und dichter und dichter und
berge von ameiseneiern verschütten den quelltext
dichterdichtdichterunddichterdichtdichter
die welt wird enger mit jedem tag
ach sagt kafkas maus ach
und läuft in den
trichter
mund
saust
wie
de
rr
a
u
s
ins offene will titelwärts zur asche nein liebe wills panta πάντα
feld heimwärts herdwärts vorbei doch weiter – weiter doch all rhei ῥεῖ
Den Titel am Anfang
Kooperation: Pega Mund x Nikolai Vogel
Der Text wurde erstveröffentlicht in KONZEPTE Nr. 39 | 2020.
Zitate im Text
# Vom Himmel kommt es, / Zum Himmel steigt es, / Und wieder nieder / Zur Erde muß es, / Ewig wechselnd. - aus :Johann Wolfgang von Goethe, Gesang der Geister über den Wassern
- https://de.wikipedia.org/wiki/Gesang_der_Geister_%C3%BCber_den_Wassern
# im Winde / Klirren die Fahnen. - aus: Friedrich Hölderlin, Hälfte des Lebens
- https://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%A4lfte_des_Lebens
# die Welt wird enger mit jedem Tag. - aus: Franz Kafka, Kleine Fabel
- https://de.wikipedia.org/wiki/Kleine_Fabel
# Zum Wasser will alles Wasser will weg – Paulus Böhmer, Verlag Peter Engstler 2014
- https://www.engstler-verlag.de/produkt/zum-wasser-will-alles-wasser-will-weg
(Schnitt Jürgen Häusler)