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Park - Zeitschrift für neue Literatur, 76 (Dezember 24)

Verlage, Zeitschriften

Kristian Kühn

Park – Zeitschrift für neuere Literatur, #76. Herausgegeben von Michael Speier. Berlin
(Park und Autoren) 2024. 122 Seiten. 12,00 Euro. ISSN 0944 0917.

Der ansprechbare Raum (im Spätflug)

Einmal im Jahr, für den lyrischen Weihnachtsbaum, erblickt eine Park – Zeitschrift für neue Literatur, von Michael Speier herausgegeben, das Licht der Welt. Die Nummer 76 glänzt in ihrer ersten Rubrik, „Gedichte“, unter anderem mit einem Brief von Christoph Meckel an Frank Milautzcki, Gedicht und Brief im Reprint auf einer Seite – das Gedicht getippt, der Brief handgeschrieben (Bleiben Sie gesund, vom 4. 1. 1996).

Der Brief wendet sich als Antwort an den „Drauflos-Brief“ Milautzckis bezüglich Fragen zur eigenen Schreibe und Qualität, und Meckel antwortet, er habe sich sehr „gefreut über Ihre Sätze und Gedichte, die Sie nicht unterschätzen sollten, es sind sehr gute, lebendige Sachen und Zeilen da drin. Ich wünschte immer, Gedichte ohne lyrische Merkmale zu schreiben, die aber doch Gedichte wären – vielleicht, wenn es gut geht, kommen Sie dort hin.“

Das Gedicht vorab ist großartig, und da es – wie das Erblicken von Fledermäusen – als Erscheinung kurz ist, füge ich es ganz bei:

- chauve-souris, pipistrello, SPÄTFLIEGENDE
ABENDSEGLER, die du nur hier im
Hinterland kennst und verwechselst mit Geistern
Viren, Flugasche von Toten, sprühenden
Giftpartikeln aus Asmodäus Höhle, aber
(ich sage dir) sie sind
heitere Lebewesen wie du, Neugierschwirrende
Schattenlachende und wollen dich kennen
deine Erscheinung begrüssen, und du

                       frierst und hältst dich an mir fest –

Das war früher – was ist heute?

Im Essay- und Prosabereich der Ausgabe befindet sich unter anderem eine Arbeit von Monika Rinck „wider schlitterndes besserwissen“, namens „Aquaplaning – so verhalten Sie sich richtig“. Der Aufsatz, als „Anti-Schädigung“ geschrieben, als eine „Vorahnung, im Begriff von ihrem eigenen Verstummen zu berichten“, ist ein Auszug aus ihrer gleichnamigen Berliner Poetikvorlesung vom Winter 2020. Analog zu einer Art Fahrprüfung oder besser achtsamen Autofahrt bei Beachten auftauchender Verkehrszeichen und gleichzeitigem Erlernen, „in die Ferne zu sehen“, gelte es nach Rinck, sich ein „Blickfiltertraining“ anzueignen.

Vorahnungen: Nicht wissen, was das wird. Mich an eine Stelle schreiben, an der ich noch nicht bin.

Aus welchen Gründen, fragt Rinck, der Psychoanalytikerin Anne Dufourmantelle und deren Text „Lob des Risikos – ein Plädoyer für das Ungewisse“ (Aufbau Verlag, 2018) folgend, unterwerfen sich Schreibende dem Halbdunkel eines Halbwissens? Die Zeilen des Geschriebenen oder des gerade zu Schreibenden analog des Verkehrs wie Straßen, steuert Rinck auf eine Arbeit von Etel Adnan zu, die „Vorahnung“ heißt und in dem Band „Sturm ohne Wind“ von 2019 auf Deutsch erschienen ist. Was Rinck an diesem Text so beschäftigt, ist die Konstruktion finaler Sätze, die doch zugleich „eine eigenartige Offenheit bewahrt-freisetzt sogar.“

Rinck endet nach einigen Seiten an Gedanken//Beispielen mit dem Fazit:

Ihre Vorahnung war richtig. Pflegen Sie die Vorausschau, lockern Sie die Vorahnung, vergrößern Sie den ansprechbaren Raum. Ich wünsche Ihnen weiterhin Gute Fahrt und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


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