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Olav H. Hauge: 7. August 59

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Olav H. Hauge


7. August 59

Schau zurück auf dein eigenes Leben. So gering es auch ist, es ist ein Leben. Und du siehst einen ewigen Wellengang, ein ständiges Steigen und Sinken und wieder Steigen. Die Kinderjahre mit den wunderbar unschuldigen Augen, die Jungenjahre mit den dummen Streichen, die erste Jugendzeit in Traum und Verlangen, dann erwachen das irdische Streben und der kritische Verstand – dann die Versenkung und die Wanderjahre in deiner eigenen Seele, dann das Erwachen und Sich-wieder-in-der-Welt-Orientieren, dann das Wägen und Auseinandersetzen in den Fünzigern, wenn du endlich unterscheidest und verstehst, wer du bist.
„Other men are lenses through which we read ourselves.“ Emerson

Formalismus. Nichts wird so verachtet von den Großen und so kultiviert von den Kleinen. Nein, Adler brauchen kein Kletterseil!

Es wärmt mir jedesmal das Herz, wenn ich das kleine Gedicht Autumn von Hulme lese. So einfach und ohne Gelehrtheit kann ein Gedicht sein. So alltäglich. Alltäglich wie ein kleiner Bauernhof am Waldrand an einem Herbstabend. Beide, Herbst und Bauer, wissen nichts von Gelehrsamkeit.


Olav H. Hauge: Mein Leben war Traum. Aus den Tagebüchern 1904 - 1994. Übersetzt von Klaus Anders. Berlin (Edition Rugerup) 2015. 256 Seiten. 24,90 Euro.

Rezension Jan Kuhlbrodt »


Thomas Ernest Hulme, 1883 - 1917:

Autumn
A touch of cold in the Autumn night –
I walked abroad,
And saw the ruddy moon lean over a hedge
Like a red-faced farmer.
I did not stop to speak, but nodded,
And round about were the wistful stars
With white faces like town children.

Etwas kalt schon diese Nacht im Herbst--
Ich ging fort, fort in ein fremdes Land,
Und sah einen roten Mond, sich über eine Hecke lehnen
Wie das rosige Gesicht eines Bauern.
Ich blieb nicht stehen, aber nickte ihm zu,
Und ringsum waren Sterne, sehnsüchtig,
mit den weißen Wangen von Stadtkindern.



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