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Nora Zapf: rost und kaffeesatz

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Elisa Weinkötz

Ein Versuch in neun Kommentaren
zu Nora Zapf: Rost und Kaffeesatz


Eins.
Elf Gedichte sind gerade richtig. Elf Gedichte von Nora Zapf, diese Elf Gedichte sind gut aufgehoben (aufgehoben? vorgehoben, dargeboten) in der lyrikreihe der parasitenpresse.
Mehr geht nicht.

Zwei.
Es gibt eine zyklische Anlage: kaffeesatz I bis XI. kaffeesatz montag bis sonntag, dann wieder montag bis donnerstag. Jeder Kaffeesatz hat acht Verse. Notate. Zeitlichkeit.

Drei.
Kaffesatz als etwas Übriges, zum Übrigen Bestimmtes, als Indikator vor dem Satz.
Rost als etwas Fräßiges, Abtragung, Verfärbung, Ansatz, Zusatz.
Das Ganze dann programmatisch: Sprachlich, lautlich, syntaktisch. Da fehlen Endungen von Verben, da setzt was Neues an.
„woher wird das bohnenfutter kämen bloß wären vielstaltig auf weltreise ging“.
Ich denke an die harte Fügung, mit der Hellingrath Hölderlin erklärt, das nur am Rande.
Ich denke an dialektale Tilgung. Ich denke, dass das hier nichts mit suggerierter Sprachohnmacht zu tun hat. Da spricht niemand Deutsch, der's nicht kann.

Vier.
Da wird klanglich assoziiert, das macht Spaß:
„nachtkrater, nackt, lack“, „schluchten, schlücke“, „logen, gelähmter lehm“.

Fünf.
Und hübsche Komposita sind da:
„libellenlieferung“, „schiffsbeginn“, „braungerührt“, „kellerzeilen“.

Sechs.
Überhaupt sind diese Texte sprach- und selbstbezüglich.
„türmen mit sekundengeröll / mit wortstein, satzkies ein dieser typischen sprache / ihre festgeklebten leiberkieseln“

Sieben.
So was wie: Prozesshaftigkeit sichtbar machen. Notatcharakter (Wochentage, Eklektik)
Prozesshaftigkeit auch als Schreibmethode. Kaffeesatzlesen als contrainte?
„noch federleicht die dünnen zeichen aufgetucht, in zuckerfreien / stunden –  es schifft wie wenn uns in schieflage s. – was für folgen / haben, was hältst eigtl. du so von warten, mein engel, von resten?“

Acht.
Es gibt Schiffe und Wasser. Moby Dick. Robinson Crusoe. Qawah. Mittelmeer, Europa.
Im fünften Kaffeesatz schallt es Abschiedsrufe.
Ich denke da auch an das letzte Gedicht:
„körniges mittelmeer / wir aschen ins gedächtnis wir waschen das lächeln als tarnt. / das demenz als neuste form von angst zement. kunst u, aus- / pizien od. auch amnesie: vorschaun auf austern europa.“
Das ist politisch, denke ich.

Neun.
„einfach eintauchen mal in dies rinnsal an synonymen“.
Das ist auch wieder programmatisch, Leseanweisung. Das ist auch problematisch.
Am schönsten ist es nämlich da, wo die assoziative Kraft der Texte mal acht gibt auf eine Richtung:
„werden wieder viele geliebt haben müssen / was andere s. verloren. umso schlimmer ihr stets schweigen / das s. für tag für tag an den spiegel gemalt ausnimmt: ein / gesicht mit falten, kl. Hübsche fältchen, die zu augen s. / aufschwingen, von stunden formiert zu fragezeichen.“


Nora Zapf: rost und kaffeesatz. Gedichte. Köln (parasitenpresse lyrikreihe 014.) 2018. 14 Seiten. 6,00 Euro.
 
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