Nico Feiden: Das Echo des Weines
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Timo Brandt
unterwegs mit Ergriffenheit, Schwärmen und
Wärme
„die wimpern knistern, dein blick treibt auf
dünnem sanddas tageslicht wartet auf dem fensterbrettbis wir es hineinlassenwir stehen auf und niemand weiß,welches gesicht mit ihm erwacht.der tag ist ein großer garten,glüht nach, ist warm, eingefärbt mit rauch und küssen“
Nico
Feidens lyrisches Ich ist ein Schwärmer, ein Romantiker, ein Hedonist. Und die
Atmosphäre von „Das Echo des Weines“ liegt irgendwo zwischen Beseeltheit und
geschickter Selbst-inszenierung. Inwieweit sich ein lyrisches Ich, das nicht
beschwört und imaginiert, sondern (scheinbar) Erlebtes nachvollzieht und Haut,
die einst getragen wurde, über die Sprache zieht (oder die Sprache über die
Haut, das ist ein feiner Unterschied), inszeniert, kann der/die Lesende nicht
wissen. Und trotzdem beruft sich eine solche Lyrik auf die Authentizität des
Erlebten, die gefundenen Wendungen sollen dieses Erlebte wieder lebendig,
fassbar, mittelbar machen.
Möglicherweise
gibt die Sprache den Moment wieder, wie er geschah, wobei eine Beschreibung die
Dinge schnell mal glättet und Sprache sie nur dann wieder entfalten kann, wenn
man Geschick walten und ihr im Zusammenspiel mit der Wirklichkeit Spiel- und
Echoräume lässt. Was diese Spielräume betrifft, da geht es in Feidens Versen
mitunter verwirrend zu. Gerade schien es noch so, als würde die Sprache zu
einer Aussage, einer Zuspitzung ansetzen, ein Thema aufmachen, doch plötzlich
folgt eine Art freie Improvisation, die sich von dieser Thematisierung entfernt;
ein Flirren erscheint und würfelt ein paar Elemente durcheinander.
„vielleichtbeginnen wir und endenmit dem rhythmus unserer sprachean bäumen saugendkupfer, zimt, ein blau in den augenund wir zerstäuben in die nacht hineinder hagelschlag in die aprikosen;“
Die Inszenierung
ist auch aus anderen Gründen eine knifflige Angelegenheit. Will ich wirklich
ein Gedicht lesen, das „one-night-stands in katalonien“ heißt und in dem es
zwar heiß hergeht, aber auch die schöne kleine Mythologie einer privaten Begegnung
bis in kleinste Details portraitiert wird? Ich komme mir einerseits wie ein geladener
Voyeur vor und andererseits finde ich den Umgang des Autors mit dem Erlebnis
wenig einfühlsam, was auch das Gedicht eben nicht einfühlsam, sondern berechnend
erscheinen lässt. Nichts gegen die Verwertung von Erlebnissen. Aber das Gedicht
geht nicht weiter, es wird nur das persönliche Erlebnis beschrieben, und die
Beschreibung, aufs Innige abzielend, gerät süßlich, pathetisch, klotzig.
Peinlich.
Es gibt einige Gedichte in diesem Band, bei denen Feiden besser beraten gewesen
wäre, sie in seinem Tagebuch zu verwahren und nicht zu publizieren; sie für
sich zu schreiben, zu bewahren, aber nicht hinauszusenden. Das klingt jetzt wie
eine heftige Kritik, und ich kann es wohl nicht anders klingen lassen.
Ich will
sie ja gerne mögen, diese lebensprallen Texte von „unterwegs“, wie der erste
Abschnitt des Bandes heißt (der zweite heißt „Heimat“ und setzt sich viel mit
Kindheitserinnerungen und der Heimat an der Mosel auseinander). Aber ich werde
das Gefühl nicht los, dass ich hier dann und wann keine Verdichtungen lese,
sondern einfach nur Tagebuch. Und wenn ich Tagebuch lese, brauche ich keine
lyrische Verdichtung, Verklärung.
„aus deiner Angst wachsen zäunedie uns voneinander trennenjede wahrheit hat zwei gesichter& und jede lüge tausend die sie glauben.am ende der zeit sind unsere fehlerein vermächtnis.“
Dabei
ist ja manch Schönes hier zu finden. Daher rührt wohl auch meine heftige
Reaktion. Ich mag Feidens Ansatz, sofort poetisch zu umwinden, wovon er
spricht. Ich mag seine Hinwendung zur Romantik. Ich mag die knappe
Bestimmtheit, die aus manchem seiner Sätze hervorscheint, wenn er z.B.
schreibt:
„wohin nur mit der ganzen zeit?lernten wir doch zu warten“
Und doch
gibt es wieder Momente, wo ich mich, als Leser und Schreibender, aufrege. Weil
ich denke: du hättest doch merken können, dass du es nicht geschafft hast, da
etwas zu beschreiben, was über dein persönliches Erlebnis hinausgeht.
Ein
Gedicht heißt „Flüchtlingsreservat“ und darin die Zeilen
„der blick eines kindes,dass durch den zaun schaut& lächelt& winkt.“
Ein
einfaches Bild, aber oft ist weniger ja mehr, gerade wenn es darum geht, die
Distanz zwischen Ich und Gegenstand zu überbrücken. Da ist es manchmal besser,
die Distanz durch Kargheit einzugestehen, in der Entfernung zu bleiben und sie zu
zeigen. Stattdessen geht es weiter mit:
„im leisen schimmern,leuchten leise seine augensalz in deinen wimperndiamanten.geschichten der flucht,die uns das leben neu erklären.“
Der
letzte Satz spricht von einer Ergriffenheit. Ich kann mir vorstellen, sie zu
teilen. Aber nicht aufgrund des Gedichtes, aufgrund dieser Beschreibung. Ich
verstehe Feidens Wunsch, diesen Augenblick zu konservieren, aufzuladen. Aber
ich stehe davor und kann nicht anders, als mich an den Diamanten aufzuhängen; muss
an Blutdiamanten denken; an die Verklärung, die diesem Thema einfach nicht
gerecht wird.
Nun
werde ich langsam ungerecht, fürchte ich. Ich glaube, wie gesagt, die
Heftigkeit resultiert in diesem Fall aus dem Wunsch heraus, die Texte würden so
intensiv sein, wie ich die Absicht ihres Verfassers einschätze. Er nimmt sich
Gefühle vor, die schwer zu umreißen sind, und diesen Mut bewundere ich, zumal
er nicht immer scheitert. Und wenn er scheitert, dann nehme ich an, ist es ihm
egal. Seneca schrieb: Wer ein besserer Mensch sein will, der muss riskieren,
dass man ihn für dumm und närrisch hält. Für dumm und närrisch halte ich Feiden
nicht, auch wenn manches Gedicht sich eine Narretei erlaubt. Aber dann schwingt
sich ein anderes wiederum zu wunderbaren Höhen auf. Und ich seh rauf und denk:
was weiß denn ich?
„als gehöre dir das alles,als wäre es nicht frei& würde vergehen …“
Nico Feiden: Das Echo des Weines. Zell / Mosel (Edition Schrittmacher - Rhein-Mosel-Verlag) 2017. 90 Seiten. 9,90 Euro.