Monika Vasik: Knochenblüten
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Barbara
Zeizinger
Monika
Vasik: Knochenblüten. Gedichte. Nettetal (Elif Verlag) 2022. 94 Seiten. 20,00
Euro
Von der Lust ein selbstbestimmtes Leben zu führen
Pünktlich
am 8. März lag Monika Vasiks Lyrikband in meinem Briefkasten. Was könnte
passender sein, als sich am Internationalen Frauentag mit den Vorläuferinnen
und den Nachfolgerinnen der Frauen zu beschäftigen, die zu Beginn des 20.
Jahrhunderts diesen Tag im Zusammenhang mit dem Kampf für das Frauenwahlrecht
ins Leben riefen.
In
achtzig sehr poetischen Porträts aus mehr als sieben Jahrhunderten begibt sich Monika
Vasik in ein Zwiegespräch mit mutigen Frauen, die innerhalb ihrer jeweiligen
zeitgenössischen Verhältnisse für Selbstbestimmung und ihre Rechte kämpften. Wie
mit der schon 1364 in Venedig geborenen Christine de Pizan, die sich ohn
Mann ohn ihr Glück aufraffte, schließlich als erste Autorin von
ihrer Literatur leben konnte und sich von der „Missgunst gegen die Weiber“
nicht unterkriegen ließ. Sie eröffnet den Reigen, die berühmte Silvia Bovenschen
(2017 gestorben) beschließt ihn. Sie, die ihr Leben lang krank war, sagt mein
Ort war immer zwischen den Stühlen, und dem Wort „Disziplin“ hat
Monika Vasik in dem Bovenschen gewidmeten Gedicht eine eigene Zeile und
Großbuchstaben eingeräumt. Dieses Zwischen-den-Stühlen-Sitzen und die
Notwendigkeit diszipliniert zu sein ist ein gut gewähltes Schlusswort, weil die
anderen 78 vorgestellten Frauen ebenfalls oft beides benötigten.
Bei
so vielen Frauen, die sich einerseits durch die Zeit, in der sie lebten, ihre
Herkunft, ihre Bildung stark unterscheiden, sich andererseits aber durch ihre
Wünsche und Zielsetzungen wieder ähneln, ist es bemerkenswert, wie gut es
Monika Vasik gelingt, die jeweilige Persönlichkeit zu charakterisieren und
gleichzeitig in deren Kontext einzuordnen. „Dichten heißt im Dialog zu stehen“,
verkündet der Klappentext, und genau das macht die Autorin. Schon die
Überschriften der Gedichte lassen Rück-schlüsse auf die beschriebene Person zu.
Beispielsweise hat die Schweizerin Marie Goegg (1826-1899) einen Verein namens
Solidarité gegründet, und somit ist auch das entsprechende Gedicht mit diesem
Wort überschrieben. Oder bei Clara Zetkin (1857-1933) lautet die Überschrift
„Rote Emanze“, bei der Architektin Margarete Schütte-Lihotzky (1897-2000), die
Indus-triestädte in Russland entwarft und auch sonst „ohne Flügel-türchen“
plante, lautet sie „Ohne Zierereien“.
Wie
bei den Überschriften genügt Monika Vasik manchmal in den Versen ein Wort, um
die Person zu charakterisieren. „Pechgeboren“ nennt sie Olympe de Gouges (1748
-1793), die Verfasserin der „Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“, die
ihr Engagement mit dem Tod durch die Guillotine bezahlte. „Fingerwund“ schrieb
sich die Barockdichterin Sibylla Schwarz (1621-1638), und bei dem wunderbaren
Begriff „Titusköpfig“, dieser Bezeichnung einer für eine Dame unpassenden
Herrenfrisur, hat man sofort die ganze Widerspenstigkeit der Frauenrechtlerin
Anita Augsburg (1857-1943) vor Augen.
Ein
Zwiegespräch führen bedeutet auch die Stimmen der Frauen zu hören. Mit vielen
Zitaten lässt Monika Vasik sie selbst zu Wort kommen. Zitate, die sie dann
aufgreift, mit ihren eigenen Worten weiterführt und kommentiert. Ein Beispiel
aus dem Gedicht „Selbstbehauptung“ über die deutsche Frauenrechtlerin Alice
Salomon (1872-1948):
Die Kontinuitäten des Pflanzendaseinsdenn Höhere Töchter und Ambitionen achwie viel Kapital an Arbeitskraft undArbeitslust ließ man brach liegen herrjesie wollte nicht nur ihre Zeit vertreibensich spielerisch im Haus beschäftigen…
Für
den Kampf um die Gleichstellung der Geschlechter zahlten die vorgestellten
Frauen einen hohen Preis. Vielen drohte Verachtung und Gefängnis. Aber
letztlich gab und gibt es auch sichtbare Erfolge. Mit Hilfe ihrer vielseitigen
Lyrik ruft uns Monika Vasik die komplizierte Geschichte der Frauenbewegung samt
den Gefühlen ihrer Protagonistinnen ins Gedächtnis. Vielen Dank dafür.