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Michael Spyra: Zwei Kreuzgedichte

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Michael Spyra:

Zwei Kreuzgedichte


Die Lieferung des Kreuzes

Das Fuhrwerk im Hof und das Kreuz auf dem Wagen
das unterste, letzte, der eben noch drei,
vom Wagen geschoben, gehoben, getragen,
beim ablegen gegen die andern geschlagen,
die andern vom Wagen geladenen zwei,

zur Marter erprobten, probierten, probaten,
erdacht und geplant und entworfen, gebaut
und so wie die anderen beiden geraten,
die Kreuze im Hof also, von den Soldaten,
mit einigem Abstand und Argwohn, beschaut.

Als Bauhölzer unbrauchbar, fest überblattet
die Balken verkeilt, vom Präfekten bestellt,
geliefert, in Rechnung gestellt und erstattet,
im Winkel der Hofmauern also, beschattet,
lehnt eines am anderen, stützt sich und hält.  



Jesus erkennt das Kreuz

Der Heiland im Hof und das Kreuz an der Mauer,
vorüber geführter Prophet in Geleit,
Messias, Verurteilter, gebenedeit,  
beschaut sich das Kreuz im Vorbeigang genauer.

Die Lagerzeit ablesbar, Darrdichte, Härte,
an Farbigkeit, Maserung, Holzstrahlen mit
den Harzgängen, Poren und Spiegeln im Schnitt,
Geschmack und Geruch, als entferntere Werte.

Die Kreuzüberblattung, versäuberten Kanten,
der saubere Riss, den der Zimmermann kennt,
und also das Kreuz mit der Holzart benennt,
den Namen errät, eines alten Bekannten,

am Ende des Hofes, der hintersten Ecke,
entlegenstem Winkel, dem äußersten Rand
verbracht und gelagert, entdeckt und erkannt,
als eines von dreien der übelsten Schrecke.


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