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Michael Spyra: Zu Besuch im Ascherslebener Seniorenwohnpark

Montags=Text
Michael Spyra

Zu Besuch im Ascherslebener Seniorenwohnpark


Da sitzt ein Mann, der hat sich ausgesprochen,
und ist verstummt und schweigt sich durch die Zeit
Kalenderjahre, Monate und Wochen,
die Tage und die Abgeschiedenheit

am Morgen, durch den Vormittag bis Mittag,
den Nachmittag, den Abend und die Nacht.
Der am Palaver anderer oft litt, lag        
im Sprachfluss eingesunken und erschwacht.

Der Mann der nichts zu sagen hat und dessen
Gesagtes schnell verschwunden war und der
mit seinen Reden schwand und schon vergessen
und weiter nichts ist, als der Ort woher

die Stimme einmal kam, die Worte kamen,
Gedanken in Kaskaden, Wortschwall dann
Lamento und so weiter; ohne Namen,
sitzt also da der unbewegte Mann,

für den die Frau zuletzt gesprochen hatte,
die immer alles besser wusste als
der graue Mann, der stille, jedenfalls
auch Angetrauter, Ehemann und Gatte,

der da noch immer sitzt in seinem Schweigen
in das sich dann und wann ein Räuspern mischt
ein Husten bald, das bestenfalls erlischt,
auf den die Pfleger mit den Fingern zeigen.  


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